taz.de -- Krieg in der Ostukraine: Ein neuer Anlauf zum Frieden
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird ein Waffenstillstand für den Donbass vereinbart. Putin erkennt Dokumente der „Volksrepubliken“ an.
Berlin taz | Die Menschen in der Ostukraine können erneut hoffen. Am Samstag vereinbarten die Außenminister Frankreichs, Deutschlands, der Ukraine und Russlands auf der Münchner Sicherheitskonferenz einen Waffenstillstand. Er soll am Montag beginnen.
Bereits am Donnerstag hatte OSZE-Botschafter Martin Sajdik den Waffenstillstand angekündigt. Alle Waffen, die von den Minsk-Vereinbarungen verboten seien, würden bis Montag von der Waffenstillstandslinie abgezogen. „Wir planen die Einrichtung von 20 Sicherheitszonen“, zitiert die ukrainische Internetzeitung pravda.com.ua OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier am Sonntag.
Unterdessen zogen am Samstag in Kiew Hunderte Menschen mit Blumen und Sprechchören wie „Ruhm der Ukraine – Helden sterben nicht“ vom Maidan zu der Gedenkstädte der „Himmlischen hundert“ an der früheren Institutskaja-Straße.
Die Demonstration war der Auftakt einer Reihe von Gedenkveranstaltungen für die vor drei Jahren im Zentrum von Kiew getöteten über hundert Maidan-Aktivisten und die im Krieg im Osten des Landes gefallenen ukrainischen Soldaten.
Beweis für eine Okkupation
Mitten in die Vorbereitungen zu den weiteren Veranstaltungen platzte die Meldung aus Moskau, Präsident Wladimir Putin habe verfügt, Ausweise und Dokumente der „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk als gültige Dokumente anzuerkennen. Auch wenn Russland durch den Ukas nicht die „Volksrepubliken“, sondern nur deren Dokumente anerkenne, legitimiere Russland mit diesem Erlass die „Volksrepubliken“ von Donezk und Lugansk, kritisierte das ukrainische Internetportal lb.ua.
„Für mich ist dies ein erneuter Beweis der russischen Okkupation und der Verletzung des internationalen Rechts durch Russland“, erklärte Präsident Petro Poroschenko am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Putins Ukas mache deutlich, so Alexander Turtschinow, Sekretär des nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, dass sich Russland entschieden habe, den Minsk-Prozess zu verlassen.
Man habe sich von rein humanitären Erwägungen leiten lassen, begründete der russische Außenminister Lawrow Putins Entscheidung. Doch in der Ukraine fragt man sich, ob man einen Ukas braucht, um den Menschen in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten zu helfen. 40.000 Bewohner der „Volksrepublik Donezk“, so das Internetportal lb.ua, verfügen über einen Pass der Volksrepublik Donezk, das ist ein Prozent der Bevölkerung.
Derzeit, so das ukrainische Internetportal segodnya.ua, sei in den „Volksrepubliken“ ein Gesetz in Planung, das Firmen, die auf deren Territorien tätig seien, verpflichte, Steuern an die „Volksrepubliken“ zu bezahlen. Wer sich weigere, solle enteignet werden. Es ist nicht auszuschließen, dass das russische Interesse weniger Ausweisen gilt als Dokumenten, die eine Übernahme von in den „Volksrepubliken“ ansässigen Firmen durch russische Oligarchen ermöglicht.
19 Feb 2017
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Prorussische Kämpfer in den „Volksrepubliken“ stellen Produktionsstätten unter Zwangsverwaltung. Sie wollen Steuern kassieren.
Da Kiew keine Dokumente aus Donezk und Lugansk anerkennt, will Putin das übernehmen. Das hilft den Menschen vor Ort wenig weiter.
Die Stadt Awdiiwka liegt in der Nähe des von prorussischen Kämpfern kontrollierten Donezk. Sie erlebt die schwersten Kämpfe seit 2014.
Die Kleinstadt unweit von Donezk ist heftig umkämpft. Die meisten Bewohner sind ohne Wasser und Strom. Die Evakuierung wird vorbereitet.
Weniger Menschen als erwartet kommen, um den dritten Jahrestag der Revolte zu feiern – und sind enttäuscht. Rechtsradikale dominieren das Bild.
Parteiinterne Kritiker von Präsident Poroschenko dürfen ihr Land nicht mehr bei der OSZE und Nato vertreten. Das bezeichnen sie als Rache.