taz.de -- Großrazzia in Hessen: Mutmaßlicher Attentäter in Haft

54 Objekte wurden durchsucht, ein 36-jähriger Tunesier wurde festgenommen. Gegen ihn wird in seinem Heimatland wegen eines Anschlags in Tunis ermittelt.
Bild: Alles blau: Polizisten stehen auf dem Gelände der Bilal Moschee im Frankfurter Stadtteil Griesheim

Frankfurt/Main dpa/rtr | Gegen den am Mittwoch in Hessen verhafteten Terrorverdächtigen wird in seinem Heimatland Tunesien wegen des Anschlags auf das Bardo-Museum in Tunis ermittelt. Der 36-Jährige soll an der Planung und Umsetzung des Anschlags beteiligt gewesen sein, bei dem im März 2015 mehr als 20 Touristen getötet worden waren. Deshalb gab es nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt auch ein Festnahmeersuchen der tunesischen Behörden.

Der 36-Jährige saß deshalb zwischenzeitlich in Deutschland schon in Auslieferungshaft. Weil bis zum Ende der Frist die tunesischen Behörden nicht die vollständigen Auslieferungsunterlagen vorgelegt hätten, sei der Mann am 4. November 2016 aus der Haft entlassen worden und von da an bis zu seiner Festnahme am Mittwoch rund um die Uhr observiert worden.

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden reiste der Verdächtige im August 2015 als Asylbewerber nach Deutschland ein. Der Tunesier habe aber bereits zwischen 2003 und April 2013 in der Bundesrepublik gelebt. Er soll einen Anschlag in Deutschland geplant haben, der aber nicht unmittelbar bevorstand. Der 36-Jährige soll auch an einem Angriff auf die tunesische Grenzstadt Ben Gardane im März 2016 beteiligt gewesen sein.

Die Polizei hatte mit einem Großaufgebot von mehr als 1.000 Polizisten am frühen Mittwochmorgen mehrere Objekte in ganz Hessen wegen Terrorverdachts durchsucht. Durchsucht wurden unter anderem Wohnungen, Geschäftsräume und Moscheen. Insgesamt 54 Objekte seien betroffen gewesen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main mit. Die Durchsuchungen richteten sich nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft gegen 16 Beschuldigte zwischen 16 und 46 Jahren.

Drei Festnahmen in Berlin

Auch in Berlin sind am Dienstag drei mutmaßliche islamische Extremisten festgenommen worden. Ein Polizeisprecher sagte am Dienstagabend, bei den drei Männern im Alter von 21, 31 und 45 Jahren bestehe der Verdacht, dass sie in die Kampfgebiete in Syrien und Irak ausreisen wollten. Es gebe keine Hinweise auf konkrete Anschlagspläne in Deutschland.

Zunächst hatte die Zeitung Bild von den Festnahmen berichtet. Demnach haben die Männer wiederholt die Fussilet-Moschee in Moabit besucht, wo auch der Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri verkehrt war. Das Gotteshaus sei durchsucht worden. Der Polizeisprecher bestätigte lediglich eine Razzia in einer Moschee in Moabit.Dienstagabend waren in Berlin drei Terrorverdächtige verhaftet worden.

1 Feb 2017

TAGS

Hessen
Razzia
Terrorabwehr
Tunesien
Bardo Museum
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Polizei
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
EuGH
Niedersachsen
Anis Amri
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt

ARTIKEL ZUM THEMA

Razzia gegen „Gefährder“ in Göttingen: Offenbar Anschlag verhindert

Die Pläne für einen möglichen Anschlag sollen laut Behörden „sehr konkret“ gewesen sein. Die Beamte fanden bei der Razzia eine scharfe Waffe.

NRW streitet um Fall Amri: Wurde Berlin-Attentäter unterschätzt?

Haben die Behörden die Terrorgefahr von Anis Amri unterschätzt? Die Opposition beklagt Fehler und Ungereimtheiten.

Urteil am Europäischen Gerichtshof: Kein Asyl für Terror-Helfer

Terror-Unterstützern kann nach einem EuGH-Urteil Asyl verweigert werden – auch wenn Antragsteller nicht selbst an terroristischen Handlungen beteiligt waren.

Rot-Grün in Niedersachsen will Fußfesseln: Ausweitung der Wahlkampfzone

Die Polizei soll potenzielle Terroristen mit elektronischen Fußfesseln orten. Auch dann, wenn gegen sie strafrechtlich nichts vorliegt.

Ermittlungen zum Fall Anis Amri: Terrorabwehr reloaded

Zum Anschlag in Berlin sind zentrale Fragen weiterhin ungeklärt. Mit dem Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum ist keiner zufrieden.

Konstantin von Notz über Sicherheit: „Die Fußfessel ist Symbolpolitik“

Gefährder wie Anis Amri festzusetzen, findet der grüne Innenpolitiker richtig – wenn es klare Belege für eine Gefahr gibt.