taz.de -- Social Media und Sicherheit: Tote hacken

Am Mittwoch wurde der Twitter-Account von Frank Schirrmacher wieder sehr aktiv. Obwohl der „FAZ“-Mann schon 2014 gestorben ist.
Bild: Hat zu Lebzeiten fleißig getwittert: Frank Schirrmacher

Berlin taz | Der ehemalige Mitherausgeber der FAZ, Frank Schirrmacher, ist am 12. Juni 2014 gestorben. Umso überraschter war am Mittwoch die Twitter-Gemeinde, als er sich doch wieder zu Wort meldet. [1][Sein Account] retweetete diverse Beiträge.

Schirrmachers Geist schien etwas [2][gegen die Women's Marches] in den USA zu haben und gerne [3][Remixes von Maria-Carey-Liedern] zu hören. Außerdem mag er Bilder von [4][schwitzenden Männern im Fittnessstudio] und spielt gerne auf dem Handy, braucht dafür aber [5][Videos, die ihm Cheats beibringen]. All diese Posts retweetete er von anderen Twitter-Konten. Dass es sich bei all dem um einen Hack des Accounts handelte, war ziemlich schnell klar.

Inzwischen ist der Spuk beendet. Die FAZ hatte sich bei Twitter gemeldet. Der Kurznachrichtendienst sperrte den Account zuerst und löschte dann noch am selben Abend den Spam. Trotzdem bleibt die Frage, wie wir mit dem Tod im Internet umgehen.

Twitter hat für den Todesfall von Nutzern eigentlich [6][Vorkehrungen] getroffen: Familienangehörige oder Erben können den Tod melden und den Account löschen lassen. Auch andere Social-Media-Plattformen haben solche Regeln. Bei Facebook kann ein Account sogar in einen „Gedenkzustand“ versetzt werden, der es Freunden ermöglicht, weiterhin mit dem Account zu interagieren, den Verstorbenen also namentlich mit Bildern zu verlinken oder an dessen Pinnwand zu schreiben.

Doch im Internet passiert noch viel mehr, als nur auf den Social-Media-Plattformen. Menschen haben eBay-Konten, nutzen Paypal, managen ihre Handy-Verträge online. All das, was einem das Leben erleichtert, erschwert den Erben unter Umständen den Tod. Denn den Liebsten vermacht man zwar Geld, vielleicht auch Schulden und zerschlissene Möbel, aber nur selten seine Passwörter. Einige Unternehmen haben sich nun sogar darauf spezialisiert, den Nachlass Verstorbener digital zu verwalten.

Es scheint: Das Internet gehört mittlerweile so sehr zum Leben, dass es auch über den Tod hinaus wichtig bleibt. Das schafft eine neue Erinnerungskultur. Mittlerweile kann man theoretisch sogar einen Chat-Bot einrichten, einen Algorythmus also, der in der Lage wäre, auf Fragen zu antworten – in ähnlicher Sprache und mit ähnlichem Inhalt, wie es der oder die Tote getan hätte.

Was für einige Hinterbliebene tröstlich sein kann, betrachtet die Pop-Kultur jedoch schon jetzt als problematisch: In der Fernsehserie Black Mirror chattet und telefoniert die Protagonistin mit ihrem toten Mann so lange und intensiv, bis sie schließlich menschlich am imitierten Leben zerbricht.

26 Jan 2017

LINKS

[1] https://twitter.com/fr_schirrmacher
[2] https://twitter.com/RealJamesWoods/status/822857396569587712
[3] https://twitter.com/nwoLEECH/status/822894306210021377
[4] https://twitter.com/WittigWorks/status/823929145864417280
[5] https://twitter.com/oldli12/status/823989171459158021
[6] https://support.twitter.com/articles/20170148?lang=de#

AUTOREN

Johannes Drosdowski

TAGS

Frank Schirrmacher
Twitter / X
BGH
Frank Schirrmacher
Twitter / X
Frank Schirrmacher
Social Media
Trauer
Katzen

ARTIKEL ZUM THEMA

BGH-Urteil zum digitalen Erbe: Auslagerungen unseres Selbst

Digitale Kommunikation gilt künftig als Erbe. Das Urteil musste zwischen dem Schutz des Privaten und dem Seelenfrieden der Angehörigen abwägen.

Buch über Frank Schirrmacher: Inspektor sucht Normalität

Kann man im Rückblick mal etwas uneindeutiger auf den „FAZ“-Herausgeber Frank Schirrmacher schauen? Genau dazu lädt Michael Angele ein.

Sicherheitspanne bei Twitter: Nutzer sollten ihr Passwort ändern

Twitter hatte die Passwörter seiner Nutzer intern unverschlüsselt gespeichert. Nun ruft das Unternehmen alle Twitterer auf, ihre Passwörter zu ändern.

Roman „Jahre später“: Ein halb verschleiertes Verhängnis

In ihrem Roman „Jahre später“ beschreibt Angelika Klüssendorf kaum verhüllt ihre gescheiterte Ehe mit dem FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher.

Werber über Aktion #keingeldfürrechts: „Wir sind Opfer eines Hatestorms“

Per Hashtag wollte Gerald Hensel Werbekunden darauf hinweisen, dass ihre Anzeigen auf rechten Blogs landen könnten. Inzwischen erhält er Morddrohungen.

Gemeinsames Trauern im Netz: Das Leiden der Anderen

Wir reagieren nicht nur auf Trauerfälle in unserer Nähe, sondern potenziell auf jedes Attentat. Kollektiv, im Netz. Oft geht es dabei weniger um Trost.

Social-Media-Forscherin über Netzkatzen: „Ich spreche Lolspeak“

Kate Miltner schrieb ihre Masterarbeit über Katzenfotos mit albernen Texten. Ein Gespräch zum Weltkatzentag über Allergie, Dummheit und Cheeseburger.