taz.de -- Die Meme des Martin Schulz: Was heißt hier Mega?

In sozialen Netzwerken wimmelt es von Überhöhungen von SPD-Notnagelmessias Martin Schulz. Das hat so einiges mit US-Präsident Trump zu tun.
Bild: Mega? Klar: „Make Europe Great Again“

Martin Schulz. Gepriesen wird er, in sozialen Netzwerken, rauf und runter. Als Gottkanzler, montiert in Messias-Ikonenbildchen. Als Robin Hood. [1][„Straight outta Würselen“] steht unter einem Foto von ihm, das auf einen Hiphop-Film anspielt. Es flutschen unzählige Meme, also witzige Bildmontagen, durch soziale Netzwerke, in denen abstrus überhöht wird, was dieser Schulz alles kann: beim Brötchenholen die Straße des 17. Juni mit Anhängern füllen. Mit seiner Frisur anderen Typen die Freundin ausspannen. Jede Frage beantworten – auch die soziale.

So erfolgreich sei er, dass die SPD bei ihm beigetreten ist. Als wäre es Chuck Norris. Oder mindestens der Ex-Fußballer Hans Sarpei. Aber doch nicht Martin Schulz, der Notnagelmessias der SPD! Halbglatze, Anzug, Durchschnittstyp. Nach Jahrzehnten in der Brüsseler EU-Politik haftet ihm noch immer eine erstaunliche Gulaschkanonigkeit an.

In der analogen Presse, da ist es gerade dieses Bodenständige, das Durchschnittliche, was rauf- und runtergeschulzt wird: ein Mann, nach dessen Authentizität die SPD lechzt. Einer, der die Sprache der sozialdemokratischen Basis spricht. Solide. Direkt. Aber Lichtgestalt?

Im Netz hingegen wird er – irgendwo zwischen ironisch und liebevoll – als Alleskönner gefeiert. Und so wird ausgerechnet dieser Martin Schulz, dessen Bart- und Brillenmode den Swag eines Sparkassenangestellten atmen, der erste SPD-Kanzlerkandidat, der sich artig bei den Nutzern der Social-Media-Plattform Reddit für die „ungeheure Unterstützung“ bedankte.

In Internethausen ist das mit dem Humor ja gerne mal ein bisschen komplizierter. Schon Ende November gründete sich auf der Plattform Reddit ein Unterforum namens [2][the_schulz]. Nach Aussagen der Moderatoren ein „bunter Haufen von Fans der sozialen Gerechtigkeit“, die den Account ursprünglich als Parodie auf das Forum „the_donald“ starteten. Dort wurde während des US-Wahlkampfes Trump in Memen hochgejubelt – und parallel noch ein bisschen verschwörungstheoretisches rassistisches und antisemitisches Zeug ausgespuckt.

Der Internethumor, der Trump ins Amt hetzte

Parodie also? Das könnte natürlich erklären, warum so viele Schulz-Meme so klar auf das Witze-Arsenal der Trump-Mem-Spaßmacher verweisen. „Mega“ etwa, der Slogan unter dem Obama-artigen Schulz-Plakat, ist Abkürzung für „Make Europe Great Again“, in Anlehnung an Trumps US-Wahlkampfslogan.

Auch die ständigen Verweise auf „hohe Energie“ spielen auf einen memgewordenen Trump-Spruch hin. Es kursieren Bilder, die Martin Schulz im Zusammenhang mit dem Comic-Frosch Pepe zeigen, der zum Alt-Right-Maskottchen im US-Wahlkampf wurde. Und auch den [3][#schulzzug], der [4][#keineBremsen] hat (weil er direkt und ohne Halt ins Kanzleramt fährt) ist ein Gag, der bereits bei Trump durchgenudelt wurde.

Aber muss man wirklich, um irgendwie zeitgeisty zu wirken, genau den Internethumor umarmen, der Donald Trump ins Amt hetzte? Der so oft garniert war mit fiesen Gags, die auf Schwarzen, Latinos, Juden und Frauen herumtrampelten?

Schon klar: Die SPD kupfert für ihre Kampagnen gern ab, was im jüngsten US-Wahlkampf funktioniert hat. Gut möglich, dass sie also auch hier versuchen wird, möglichst souverän als Owner aller Schulz-Meme aufzutreten. Nur: will man sich wirklich mit recycelten Witzen schmücken?

Es gibt sie doch – die eigenen, unvertrumpten Schulz-Gags und -Meme. Die passen dann zwar immer noch nicht zum Durchschnittler Schulz. Sind aber immerhin das, was er ja irgendwie auch ist: authentisch.

2 Feb 2017

LINKS

[1] https://www.reddit.com/r/the_schulz/comments/5qyskq/straight_outta_w%C3%BCrselen/
[2] https://www.reddit.com/r/the_schulz/
[3] https://twitter.com/search?q=%23schulzzug&src=typd
[4] https://twitter.com/search?q=%23keineBremsen&src=typd

AUTOREN

Meike Laaff

TAGS

Kanzlerkandidatur
Internet
SPD
Donald Trump
Martin Schulz
Kommunismus
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
SPD
Donald Trump
Mario Draghi
Würselen
Niedersachsen
Martin Schulz
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
SPD

ARTIKEL ZUM THEMA

Hype um einen sehr jungen Youtuber: Der Genosse aus der vierten Klasse

Das Internet feiert einen zehnjährigen Kommunisten. Auf Youtube erläutert er seine politischen Thesen. Und wirkt dabei nicht einmal altklug.

Wahlforscher über „Martin-Schulz-Effekt“: „Schulz wird Farbe bekennen müssen“

Will die SPD die Bundestagswahl gewinnen und Martin Schulz zum Kanzler machen, muss sie Rot-Rot-Grün als reale Option in den Blick nehmen, sagt Matthias Jung.

Mobilisierung von SPD-Wählerinnen: Probleme mit den Frauen

Die SPD freut sich über ihr Umfragehoch. Doch eine interne Studie über das reale Wahlverhalten zeigt: Die Partei erreicht die Wählerinnen nicht.

Kolumne Macht: Trumpst du oder schulzt du?

Die westlichen Länder sehnen sich nach Lichtgestalten. Diese können sagen, was sie wollen – Hauptsache, sie gehören nicht zum Establishment.

EU-Abgeordneter über Interessenkonflikte: „Der Euro kann nicht überleben“

Fabio De Masi von der Linkspartei kritisiert Jean-Claude Juncker, Mario Draghi und Martin Schulz. Die EU-Kommission verhindere Aufklärung, sagt er.

Stadtportrait Würselen: Ein Ort, gesprochen wie ein Verb

Würselen war in der Nachkriegszeit eine große Nummer im Fußball. Dann versank es mitsamt Linksverteidiger Schulz in der Bedeutungslosigkeit.

Bildung in Niedersachsen: Kinder als Wahlkampfschlager

Ein seltsamer Wettlauf: SPD und Grüne peilen 2019, die CDU das Jahr 2018 an. Ausgerechnet die wirtschaftsnahe FDP will noch schneller sein.

Schulz über Schulz: Schulz ist ein sehr guter Name

Der neue SPD-Kanzlerkandidat heißt Schulz. Was bedeutet das? Und wie kann man mit diesem Namen leben?

Gedanken zum SPD-Kanzlerkandidaten: Das Schulz’sche Momentum

Martin Schulz hat seine Partei entflammt. Er könnte Merkel stürzen. Dennoch halten die meisten Linken nichts von ihm. Warum bloß?

Kolumne So nicht: @realGenosseSchulz

Schuften und immer an die Wähler, äh, Menschen denken. Martin Schulz verspricht denen, die arbeiten, ein Feindbild, das nicht SPD heißt.