taz.de -- Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin: Die scheue Scheune

Eine Ausstellung zeigt alle Entwürfe für das Museum der Moderne am Kulturforum. Dabei wird auch klar, dass nachgebessert werden muss.
Bild: Dahinter verblasst die Neue Nationalgalerie: der Siegerentwurf für das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum

Erstaunlich cool reagiert der Architekt Pierre de Meuron auf einige kritische Fragen, die ihm bei einer Talkrunde zur Ausstellungseröffnung der „Wettbewerbsergebnisse für das Museum des 20. Jahrhunderts“ gestellt werden. Als „Hangar“ und „Kulturscheune“, als „Bierzelt“ und „Billigdiscounter“ war der siegreiche Entwurf des Architekturbüros Herzog & de Meuron (Basel) bezeichnet worden. Sei's drum, meinte de Meuron. Dem Schweizer machen die Metaphern offenbar nichts aus.

Denn: Projekte dieser Art provozierten „zwangsläufig Kosenamen, in Berlin kennt man die schwangere Auster“, witzelt der Architekt. „In diesem Zusammenhang finde ich die Bezeichnung ‚Zelt‘ nicht negativ.“ Der Entwurf mit dieser „Urform der Architektur“ passe „doch gut rein“ zwischen die Neue Nationalgalerie und die Philharmonie. Wozu also die Aufregung?

Dass es noch immer hoch her geht in Sachen Museum der Moderne liegt daran, dass die mehr als 10.000 Quadratmeter große „Scheune“ aus vier Backsteinwänden unter einem riesigen Satteldach eine Provokation darstellt. Das siegreiche Projekt von Jacques Herzog und Pierre de Meuron – die eben erst die skandalöse Elbphilharmonie fertiggestellt haben – füllt die freie Fläche am Kulturforum komplett aus. Der anvisierte 200-Millionen-Euro-Block erdrücke die Nachbarbauten mit Wucht und Masse, kritisieren Architekten wie Stephan Braunfels. Ist dieser Entwurf wirklich die Antwort auf 50 Jahre Debatte über die Zukunft des Kulturforums am Potsdamer Platz, fragen sich viele in Berlin.

Geht man allerdings durch die Ausstellung, in der bis Januar die Preisträger plus alle anderen 39 Wettbewerbsteilnehmer mit ihren Modellen, Ansichten und Plänen präsentiert werden, versteht man das de Meuronsche Understatement eher. Denn bis auf ganz wenige Beiträge gelingt es der internationalen Architektenschaft nicht wirklich, neue und bemerkenswerte Museumslösungen zu entwerfen.

Innovative Ideen fehlen

Tastend, zum Teil unsicher bewegen die Planer sich über das weite Areal am Kulturforum und in der Aufgabe selbst. Was sich darin zeigt, dass vom Hochhaus (Max Dudler, Berlin) bis zum gläsernen Gewächshaus (Kazuyo Sejima, Tokio) alles dabei ist. Fehlte der Mut für innovative Museums-Ideen, den etwa die Guggenheim-Architekten in New York oder Bilbao besaßen? Oder waren die Vorgaben zu unklar?

Vielleicht. Stararchitekten wie David Chipperfield (London), Dominique Perrault (Paris) und Meinhard von Gerkan (Hamburg) dekorieren nur die Fläche zwischen Potsdamer Straße und Matthäus-Kirche mit bekannten Bauplastiken: Mal sind es große, mal kleine Quader, mal wuchtige, mal schlanke Klötzchen. Sie passen hierhin, aber auch überall sonst wohin. Diese Entwürfe fielen bereits im ersten Rundgang heraus.

Bei Annäherungsversuchen an die bestehenden Architekturen von Ludwig Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie oder Hans Scharouns Philharmonie bleiben die Architekten zudem zu defensiv oder werden zu aufgeregt: So nimmt beispielsweise das Berliner Büro Sauerbruch/Hutton das Quadrat der Nationalgalerie auf und multipliziert die Form in übereinander geschobene Quader. Das Osloer Team Snøhetta reagiert umgekehrt auf die Philharmonie mit einem kurvigen Bau, der an eine Sprungschanze erinnert.

Möglicherweise hätten die Bauherren – die Preußenstiftung (SPK) und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) – gut daran getan, die Gewinner der ersten drei Preise und weitere Büros noch einmal in Klausur zu schicken. Auch um selbst mehr Gewissheit über die neue Bedeutung und Ästhetik eines Museums im 21. Jahrhundert zu erhalten, das an diesem Ort der Moderne die Kunst des 20. Jahrhunderts ausstellen soll.

Denn sowohl die Architekten Lundgaard/Tranberg (Kopenhagen, 2. Platz) als auch das Berliner Büro Staab Architekten (Anerkennung) definieren mit einer Park- und Stadtlandschaft aus organischen Baukörpern den bislang reinen Kulturstandort zum urbanen Raum um. Das ist neu.

Schließlich demonstriert der Entwurf von Rem Koolhaas (Rotterdam) mit seinen „bergartigen Baumassen“, so das Preisgericht, aus Terrassen, Ausstellungsflächen, Brücken und Stegen, dass nicht nur die Bilder von Klee und Picasso, sondern auch die Nutzer auf ihre Kosten kommen sollen. Es sei ein Konzept, das „kein weiteres Kunstmuseum verspricht, sondern eine rasante Theater- und Kunstmaschine“, vergleichbar dem Pariser Centre Pompidou, urteilte ein bekannter Architekturkritiker zu Recht.

Ein Denkmal für Grütters

Dass es dazu nicht kommt, sondern zur raschen Bebauung durch Herzog & de Meuron, ist sicher auch der Rolle von Monika Grütters als Bauherrin zu verdanken, die in Berlin Maßstäbe zu setzen gedenkt. Und das für 2024 anvisierte Museum ist nicht der einzige repräsentative Kulturbau, den die Staatsministerin und frisch gekürte CDU-Landesvorsitzende mit anschiebt: Die Museumsinsel, das Humboldt Forum, das Bauhaus-Archiv und auch die Bauakademie am Schlossplatz erhalten Geld vom Bund.

Sicher, die „Scheune“, der „Kunst-Lidl“ mit den perforierten Ziegelwänden, den offenen Etagen und vier „Boulevards“ als Durchgänge ist kein gewöhnlicher Entwurf von Herzog & de Meuron. Er provoziert und ist eine zeitgemäße Interpretation für ein Museum. Dennoch sollten die Bauherren im gleichfalls ausgestellten Protokoll der Jurysitzung nachlesen, welche problematischen Aspekte das Projekt hat: Es sei „in seinen schieren Ausmaßen durch die Gassenbildung zur Matthäuskirche und die lange Hauptfront zur Potsdamer Straße in dieser Form weder dialogfähig noch feinkörnig genug“.

Damit dieser „Dialog“ mit den Nachbarn stimmig wird, müssen diese Defizite behoben werden. Unbedingt.

7 Dec 2016

AUTOREN

Rolf Lautenschläger

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