taz.de -- Geplante Schulreform in Polen: Zehntausende Lehrer protestieren
Die Regierung will das dreistufige Schulsystem abschaffen. Lehrer fordern, die Errungenschaften der polnischen Schulen nicht zu zerstören.
Warschau afp | Zehntausende Polen haben gegen eine von der nationalkonservativen Regierung geplante Bildungsreform protestiert. An der Kundgebung in Warschau beteiligten sich am Samstag Lehrer aus dem ganzen Land, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur afp beobachtete. Die Organisatoren mobilisierten nach eigenen Angaben 50.000 Demonstranten, die Stadtverwaltung sprach von 30.000 Teilnehmern.
Der Vorsitzende der größten polnischen Lehrergewerkschaft ZNP, Slawomir Broniarz, rief Ministerpräsidentin Beata Szydlo und ihre Regierung auf, die Errungenschaften der polnischen Schulen nicht zu zerstören. Die Proteste richten sich vor allem gegen die von der regierenden Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) geplante Abschaffung der Mittelschulen.
Künftig soll es in Polen nur noch Grund- und Oberschulen geben. Kritiker fürchten, dass tausende Lehrerstellen wegfallen. In der Kritik steht zudem eine geplante Neuausrichtung der Lehrpläne. Die Demonstranten, unter ihnen auch Oppositionspolitiker, Eltern und Schüler, warnten von einem „Chaos in den Schulen“.
Sie mache sich nicht nur Sorgen um ihren Job, sondern auch um ihre Kinder, sagte die Schuldirektorin Bozena Ludna. Ihr Lehrerkollege Jan Skrzypek äußerte die Befürchtung, dass sich die Lehrpläne künftig vermehrt an patriotischen Werte orientieren sollen. Die Regierung wolle den Fokus auf die „Vergangenheit Polens“ legen. Es sei aber ein Fehler, sich in „nationale Mythen“ zu hüllen anstatt sich der Zukunft zuzuwenden.
20 Nov 2016
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