taz.de -- Kommentar Gespaltene Republik: Mehr Widerspruch!
Fremdenfeindlichkeit ist stark zurückgegangen. Aber nun schüren Neurechte antidemokratische Ressentiments. Da hilft nur Widerstand.
Es klingt nach Aufatmen. Eine [1][Studie des You-Gov-Instituts] attestiert den Deutschen, in Europa mit am geringsten empfänglich für Populismus zu sein. Auch die zeitgleich veröffentlichte [2][„Mitte-Studie“] beruhigt: Die Mehrheit der Deutschen steht hinter der Demokratie, verteidigt auch die Flüchtlingspolitik. Die Fremdenfeindlichkeit ist in den letzten zehn Jahren um die Hälfte zurückgegangen.
Erfolgsmeldungen, gewiss. Selbst die Grünen sehen die Ergebnisse als Beleg, einfach „mal wieder durchzuatmen“. Das allerdings wäre zu wenig. Denn es bleibt Beunruhigendes. Zum einen: Nach Jahren des Rückgangs setzen sich Vorurteile nun fest. Sie stagnieren auf alarmierendem Niveau. Fast jeder Fünfte sieht das Land durch Migranten „gefährlich überfremdet“, 40 Prozent halten es von Muslimen unterwandert. Das vergiftet das Zusammenleben.
Beunruhigend ist auch, dass und wie sich eine Minderheit dieser Gesellschaft zunehmend abkoppelt. Für sie sind die Regierenden illegitim, sie fordern einen harten Nationalismus und legitimieren Gewalt. Von der heutigen Demokratie halten sie nichts. Und auch sie werden dadurch zur Gefahr. Denn mit knapp einem Drittel der Bevölkerung ist diese Minderheit gar nicht so klein. Ihr Sprachrohr ist eine Partei, die in zehn Landtagen sitzt: Die AfD erklärt schon jetzt die kommende Bundestagswahl zur „Schicksalsschlacht“.
Zu erreichen ist diese Gruppe der „Neurechten“ kaum noch. Auch nicht mit sozialen Zugeständnissen, wie sie Merkel jetzt ankündigt. Denn die Vorurteilsträger sind gerade nicht diejenigen, die für soziale Werte eintreten – auch das weist die Mitte-Studie nach. Kaum jemand schaut etwa auf Arbeitslose so herab wie sie.
Es ist ein Kulturkampf, den die Neurechten wollen, ein Systemwandel. Da hilft nur: Widerspruch. Konzessionen an die „Besorgten“ werden diese kaum besänftigten. Vielmehr gilt es klar zu benennen, was sie vermitteln: antidemokratische Ressentiments.
22 Nov 2016
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