taz.de -- Venezuela in der Krise: Mit Stillstand zur Eskalation
Ein Referendum zur Abwahl von Präsident Maduro wurde gestoppt. Die Opposition ruft zum Generalstreik auf. Die Regierung droht Unternehmen.
Caracas dpa | Der Machtkampf zwischen Regierung und Opposition in Venezuela hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Das Oppositionsbündnis MUD hatte für Freitag zu einem Generalstreik aufgerufen, dem viele Venezolaner gefolgt seien. „Wir werden Venezuela für einen Tag anhalten, damit der Kampf niemals endet“, sagte MUD-Exekutivsekretär Jesús Torrealba. Im Gegenzug drohte die Regierung allen Unternehmen, die dem Streikaufruf folgten, mit Enteignung. Mit dem Generalstreik protestiert die Opposition gegen die Blockade eines Referendums, mit dem sie Präsident Nicolás Maduro stürzen wollte.
Große Straßen in der Hauptstadt Caracas waren nach Oppositionsangaben am Morgen (Ortszeit) verwaist. „Heute geht niemand zur Uni. Heute werden die Geschäfte nicht geöffnet. Heute bleiben alle zu Hause“, sagte die oppositionelle Studentenführerin Ana Karina García.
Der Abgeordnete Simón Calzadilla sagte: „Dieser Freitag wirkt wie ein Sonntag. Trotz Drohungen bleiben die Bürger zu Hause.“ Der regierungsnahe Fernsehsender Telesur hingegen veröffentlichte Aufnahmen aus dem Stadtzentrum, auf denen zahlreiche Busse, Mototaxis und Passanten zu sehen waren.
Der Industrieverband Conindustria unterstützte den Streikaufruf. Die Unternehmen sollten ihren Angestellten erlauben, sich an der Arbeitsniederlegung zu beteiligen, hieß es in einer Stellungnahme. „Venezuela braucht sofort einen wirtschaftlichen und politischen Richtungswechsel, um Wohlstand für die Menschen zu schaffen.“ Der Arbeitgeberverband Fedecámaras erklärte, es stehe jedem Unternehmen frei, sich an dem Generalstreik zu beteiligen.
Kampf gegen staatliche Gängelei
Den Unternehmen in Venezuela machen Devisenmangel und staatliche Gängelung zu schaffen. Weil sie keine Rohstoffe im Ausland kaufen können, haben zahlreiche Betriebe ihre Kapazitäten zurückgefahren. Tausende Firmen gaben bereits auf.
Präsident Maduro drohte, dass Betriebe, die dem Streikaufruf folgten, verstaatlicht würden. „Eine Firma, die stillsteht, ist eine Firma, die vom Volk und der Revolution übernommen wird.“ Er werde persönlich überprüfen, dass in den Betrieben gearbeitet werde.
Angesichts der galoppierenden Inflation in dem Land mit den größten Ölreserven der Welt erhöhte Maduro zum vierten Mal im laufenden Jahr den Mindestlohn – diesmal um 40 Prozent. „Die Regierung wirft einfach die Geldpresse an. Das wird die Inflation nur noch verstärken“, sagte der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Venezuela, Henning Suhr.
Eigentlich wollten die Regierungsgegner in dieser Woche die Unterschriften von 20 Prozent der Wahlberechtigten für eine Volksabstimmung zur Abwahl des Präsidenten sammeln. Die Wahlbehörde hatte das Verfahren in der vergangenen Woche allerdings überraschend gestoppt. Damit rückt ein Machtwechsel in dem südamerikanischen Land in weite Ferne.
Katholische Kirche soll vermitteln
Am Sonntag wollen Regierung und Opposition unter Vermittlung der katholischen Kirche und des Staatenbunds Unasur nach einer Lösung aus der politischen und wirtschaftlichen Krise des Landes suchen.
Die Menschrechtsorganisation Human Rights Watch warnte Papst Franziskus davor, sich in den Vermittlungsgesprächen von Maduro instrumentalisieren zu lassen. Der Dialog müsse unter „angemessenen Bedingungen“ stattfinden, um Früchte zu tragen, schrieb der Leiter der Amerika-Abteilung von HRW, José Miguel Vivanco, in einem Brief an das Oberhaupt der katholischen Kirche.
28 Oct 2016
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