taz.de -- Wochenend-Wahlbilanz (2): AfD einfach entzaubern reicht nicht

Die Folgen der Wahl (3)
Bild: Auf einen müssen sie verzichten: Kay Nerstheimer ist nicht mehr Mitglied der Berliner AfD-Fraktion

Er hat Überwachungskameras installiert, die Mittel für soziale Träger zusammengekürzt, Kenntnisse der deutschen Sprache für alle MieterInnen von Sozialwohnungen vorgeschrieben, die Kulturförderung heruntergefahren und für „integrationsverweigernde“ Eltern das Schulstartgeld gestrichen. Das alles rechtlich wasserdicht und genau den Verwaltungsvorschriften folgend.

Andreas Rabl ist seit einem knappen Jahr der Bürgermeister von Wels, einer Stadt in Oberösterreich, der größten des Landes, die von der blauen FPÖ regiert wird. Was er in seiner bisherigen Zeit geschafft hat, ist politisch fatal – und es ist mit größtem Fleiß, ausgezeichneter Sachkenntnis und unermüdlicher Beharrlichkeit umgesetzt. „Blaue Musterstadt“ wird Wels genannt.

Warum es wichtig ist, gerade jetzt nach Wels zu schauen?

Weil so ein Mythos entkräftet wird, der durch die Stadt geistert, spätestens nachdem am Sonntag klar wurde, dass die AfD künftig in sieben Bezirken mitregieren können wird: Man müsse die Blauen nur machen lassen, dann würden sie sich schon selbst entzaubern durch ihre Inkompetenz, dann würde den WählerInnen klar werden, dass die nur heiße Luft zu bieten haben.

Was macht so ein Stadtrat eigentlich?

Sicher: Es gibt in der AfD KandidatInnen, denen man anmerkt, dass sie keine Ahnung haben von Politik und Verwaltung. Der Neuköllner Vorsitzende Jörg Kapitän etwa, der kurz vor der Wahl zugab, gar nicht zu wissen, was so ein Stadtrat eigentlich so mache. Aber es gibt unter ihnen auch jede Menge Juristen, Verwaltungsmitarbeiter, Unternehmensberater – Menschen, die rein fachlich nicht weniger kompetent sein müssen als PolitikerInnen anderer Parteien.

Auf eine Selbstentzauberung der AfD zu setzen, gerade in den Bezirken, ist deswegen fatal: So gibt man der Partei erst die Chance, sich als sachkundige LokalpolitikerInnen zu profilieren, deren menschenverachtende Programmatik in den Hintergrund gerät.

Stattdessen muss immer und immer wieder klar gemacht werden, dass diese Partei, solange sie sich nicht von rassistischen Positionen und Personen in ihren Reihen distanziert, keine ist, mit der man sich abfindet– egal, wie gut sie Bezirksverwaltung kann.

24 Sep 2016

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Malene Gürgen

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