taz.de -- Koalitionspläne: Ist es doch Liebe?

SPD-Chef Michael Müller, der vor der Wahl die CDU verstieß, lobt ein Sondierungsgespräch mit den Christdemokraten, tagt aber länger mit der Linkspartei
Bild: Die Parteichefs Michael Müller (SPD, links) und Frank Henkel (CDU) haben sich doch noch was zu sagen

Er sieht aus wie Michael Müller. Er klingt auch wie Michael Müller. Aber er redet anders als der Mann, der vor der Abgeordnetenhauswahl die CDU in die Schmuddelecke stellte. „Nur eine Koalition jenseits der Henkel-CDU kann ein besseres Berlin gestalten“, meinte der Regierungschef und SPD-Spitzenkandidat damals. Der Mann, der aussieht wie er, kommt Mittwochmittag hingegen mit folgendem Satz aus einem Sondierungsgespräch mit führenden Christdemokraten: „Es waren keine Punkte dabei, wo ich sage, man kann sich nicht einigen.“

Es ist das erste von vorerst vier Gesprächen dieser Art, die Müller bis Freitag mit allen am Sonntag ins Abgeordnetenhaus gewählten Parteien außer der AfD führen will. Sie sollen sondieren, also ausloten, mit wem für die SPD Gespräche für eine Koalition sinnig sind. Trotz aller Nähe zu einer rot-rot-grünen Koalition, die am Wahltag auf zusammen 52,4 Prozent der Stimmen kam, hat Müller darauf bestanden, auch mit Christdemokraten und FDP zu reden. Das passiere nicht bloß pro forma – „für Showveranstaltungen haben wir alle genug anderes zu tun“, hat er schon am Dienstag gesagt.

Zwei Stunden CDU …

Von einer „angenehmen Gesprächsatmosphäre“ spricht Müller jetzt, von einem „sehr konstruktiven Gespräch“. Bei Bildung, Energie und Stadtwerken gebe es Differenzen, aber eben keine unüberbrückbaren. Und statt nach wenigen Minuten im Streit auseinander zu gehen, wie es der Zustand von Rot-Schwarz zuletzt nahe legte, sitzen Müller und drei weitere SPDler zwei Stunden mit der fünfköpfigen Delegation um CDU-Chef Frank Henkel zusammen. Der räumt ein, seine Partei müsse sich bewegen, „nicht nur beim Thema Homo-Ehe, sondern auch bei anderen.“ Mit der FDP hätten SPD und CDU genauso eine Mehrheit im Parlament wie Rot-Rot-Grün, aber eine deutlich knappere.

Mit den zwei Stunden Gesprächsdauer ist die Messlatte gelegt für das Treffen mit der Linkspartei, die als drittstärkste Partei nachmittags dran ist – die Grünen als viertstärkste folgen am Donnerstag um 10 Uhr. Auch nach diesem Gespräch ist von einer guten Atmosphäre die Rede.

… und dreieinhalb Stunden Linke

In einer Pause nach zwei Stunden Gespräch – weitere eineinhalb folgen noch – hebt Müller allerdings die bereits bekannten Differenzen beim Thema Finanzen hervor: Die Linke will viel mehr investieren als die SPD, die weiter auch Schulden abbauen möchte. Unterschiede gab es auch beim Thema Bürgerbeteiligung – „ich mache keine Hehl daraus, dass wir uns dabei nicht gleich um den Hals gefallen sind“, sagt Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer, der mit drei Co-Sondierern ins Rote Rathaus gekommen ist.

Während Lederer sich für eine niedrigere Mindestbeteiligung bei Volksentscheiden ausspricht, für die eine Verfassungsänderung im Parlament nötig wäre, zeigte sich Müller hier skeptisch. Er will lieber dafür sorgen, dass bereits vorhandene Mitsprachrechte bei Bebauungsplan-Verfahren besser als jetzt genutzt werden. Solche Widersprüche in nur einem Gespräch auszuräumen, ist laut Lederer aber auch nicht Ziel der Sondierungsrunde.

21 Sep 2016

AUTOREN

Stefan Alberti

TAGS

Michael Müller
Frank Henkel
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Abgeordnetenhaus

ARTIKEL ZUM THEMA

Nach der Wahl in Berlin: Lasset die Verhandlungen beginnen

Die Spitzen von Rot-Rot-Grün sind sich einig, sie wollen Koalitionsgespräche aufnehmen. Ein Streitpunkt könnten die Finanzen werden.

Wochenend-Wahlbilanz (3): Michael Müllers wirklich letzte Chance

Sondierungsgespräche im Roten Rathaus laufen auf Hochtouren: Hauptsache, es spricht keiner über das Wahldebakel des SPD-Frontmanns.

Sondierungsgespräche: Gute Stimmung bei Rot-Grün

Auch am zweiten Tag der Sondierungsgespräche ist die Stimmung gut – bloß zwischen den SPD-Chefs scheint es Differenzen zu geben.

Regierungswechsel in Berlin: Wünscht euch was!

Beim Gedanken an Rot-Rot-Grün keimt bei vielen die Hoffnung auf Veränderung. Was fordern gesellschaftliche Akteure von einem „linken“ Senat?

Rot-Rot-Grün in Berlin: Müller muss auch gönnen können

Bislang wollte die SPD ihre Koalitionspartner immer kleinregieren. Mit der Linken und den Grünen wird das nicht klappen. Entweder sie haben gemeinsam Erfolg. Oder sie verlieren.

Wie geht's weiter nach der Berlin-Wahl?: Roadmap fürs neue Senatsbündnis

Reger Betrieb im politischen Berlin: Gleich am Montag beginnen die Vorbereitungen für die ersten Sondierungsgespräche.