taz.de -- Kommentar Gallier als Identifikationsfigur: Astérix, Président!
Nicolas Sarkozys Assimilierungsforderung gegenüber Zuwanderern leugnet die Geschichte Frankreichs. Und sie kann rassistisch verstanden werden.
Wer Franzose werden will, soll sich gefälligst anpassen, meint Expräsident Nicolas Sarkozy. Integration reicht ihm nicht, er fordert Assimilierung als Preis für die Aufnahme in die Grande Nation. Er liefert den Zugewanderten auch gleich die passende Anleitung dafür mit: ein mythologisch verklärtes Bild einer nationalen Identität.
Wer Franzose ist, soll sich mit den „gallischen Urahnen“ identifizieren. Die Comic-Gallier Asterix und Obelix würden sich darüber krumm lachen. „Sarkozyx“ aber will allen Ernstes wieder „Galliens“ Häuptling werden.
Es hat Jahrzehnte gebraucht, bis aus den französischen Schulbüchern für den Geschichts- oder Staatskundeunterricht der stereotype Satz über „unsere Vorfahren, die Gallier“, endlich gestrichen wurde. Natürlich wohnten einst im heutigen Frankreich in den Jahrhunderten vor und nach Christi Geburt die Gallier, oder besser gesagt, so benannte keltische Stämme.
Das aber ist nur ein Teil der Entstehungsgeschichte der heutigen Nation, die das Ergebnis zahlreicher Völkerwanderungen und der Mischung mit Immigranten aus aller Welt darstellt. Und was sollen etwa die Franzosen auf Martinique, Guadeloupe, aus Tahiti oder La Réunion dazu sagen, dass Sarkozy zufolge nur ein echter Franzose ist, der sich zu 100 Prozent als Nachfahre der weißen Gallier fühlt?
Komisch ist Sarkozys Versuch, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, allerdings nicht. Seine Assimilierungsforderung macht das Recht auf kulturelle Eigenart verdächtig und klingt im Kontext sogar fremdenfeindlich bis rassistisch. Angesichts der multikulturellen Entstehung und der heutigen Zusammensetzung der französischen Gesellschaft ist sie eine Form von Geschichtsleugnung.
Die Absicht dahinter ist nicht schwer auszumachen: Sarkozy geht mit solchen Tönen im Lager des rechtsextremen Front National auf Stimmenjagd. Das ist viel weniger lustig und harmlos als das Asterix-Original.
21 Sep 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Ausstellung „Au-delà du rire“ beschäftigt sich mit dem Werk des großen Comicautors und Asterix-Erfinders René Goscinny.
Nicht nur Marine Le Pen sieht sich im selben Lager wie Donald Trump. Auch Nicolas Sarkozy will nun von der Anti-Eliten-Stimmung profitieren.
Ehemalige Mitarbeiter packen gegen Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy aus. Seine Wiederwahl wäre eine Peinlichkeit.
Kurz vor der Kandidatenwahl der Konservativen für die Präsidentschaft wird die Affäre um Nicolas Sarkozy neu aufgerollt. Diesmal geht es um Notizen.
Eine Frau und sieben Männer: Die erste Vorwahl der französischen Konservativen für die Präsidentschaftskandidatur steht an.
Lkw-Fahrer, Landwirte und Geschäftsleute demonstrieren in Frankreich für die Räumung des Flüchtlingslagers in Calais.
In Nizza tobte der Streit über muslimische Bademode. Jetzt kämpfen dort Aktivisten gegen die Entfremdung Frankreichs von seinen Muslimen.
Juristisch ist Klarheit fürs erste hergestellt – politisch aber noch nichts ausgestanden. Der Populismus ohne klares Ziel schlägt weiter um sich.
Sarkozys Kandidatur zeigt, wie auch Frankreich weiter nach rechts driftet. Sarkozy setzt klar auf die Themen Angst und Ausländerfeindlichkeit.