taz.de -- Nach dem Putschversuch: EU-Vertreter besuchen die Türkei

Erstmals seit dem gescheiterten Staatsstreich reisen Spitzenvertreter der Europäischen Union in die Türkei. Dort geht derweil die „Säuberung“ der Armee weiter.
Bild: Die Beziehungen waren einmal besser: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Recep Tayyip Erdogan im Januar 2014 in Brüssel

Istanbul ap/dpa | EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Migrations-Kommissar Dimitris Avramopoulos sind am Donnerstag als erste europäische Spitzenvertreter seit dem Putschversuch in die Türkei gereist. Das harte Vorgehen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nach dem Putschversuch Mitte Juli hatte zu diplomatischen Spannungen geführt. Auf beiden Seiten wuchsen Bedenken über die Einhaltung des Flüchtlingsabkommens zwischen EU und Türkei.

Schulz und Avramopoulos trafen sich unabhängig voneinander mit mehreren türkischen Vertretern in Ankara. Die Türkei hatte zuvor mangelnde Unterstützung der westlichen Länder kritisiert. Ankara drohte zudem mit der Aussetzung des im März geschlossenem Flüchtlingsabkommens, sollte die EU türkischen Bürgern keine Visumfreiheit gewähren.

Im Zuge der Ermittlungen nach dem Putschversuch sind indes weitere 820 Soldaten unehrenhaft aus der türkischen Armee entlassen worden. 648 davon seien in Untersuchungshaft, teilte das Verteidigungsministerium in Ankara am Donnerstag über Twitter mit. Je mehr die Streitkräfte „von den Verrätern gesäubert“ würden, desto gestärkter könnten sie ihren Dienst an der Nation fortsetzen.

Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, dass seit dem Putschversuch am 15. Juli 4.451 Militärs entlassen worden seien, darunter 151 Generäle und Admirale.

Rund 35.000 Menschen seien insgesamt für Befragungen in Gewahrsam genommen worden. Mehr als 17.000 von ihnen müssten sich vor einem Gericht verantworten, darunter Soldaten, Polizisten, Richter, Staatsanwälte und Journalisten.

1 Sep 2016

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