taz.de -- Option grün-schwarze Koalition: Grüne Spitze lehnt Weichenstellung ab
Ein Jahr vor der Bundestagswahl machen Spekulationen über Schwarz-Grün die Runde. Grüne Spitzenpolitiker wollen sich aber noch nicht festlegen.
Berlin/Stuttgart dpa | Die Grünen-Fraktionsspitze leitet aus einem Treffen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) keine Weichenstellung für eine künftige schwarz-grüne Koalition ab. CDU und Grüne müssten künftig allerdings besser darauf vorbereitet sein, nach einer Bundestagswahl miteinander zu reden, als noch 2013, sagte Bundestags-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Samstag beim „Tag der offenen Tür“ der Bundespressekonferenz.
Klar sei für die Grünen, dass man sich Optionen offen halten wolle. „Dass wir nicht mehr in Bundestagswahlen gehen nach dem Motto: Wir legen mal vorher eine Koalition fest. Das haben wir ein paarmal versucht, und damit sind wir als Grüne ein paarmal vor die Wand gefahren, und zwar immer vor dieselbe.“
Schwarz-Grün sei „kein neues Projekt, aber eine Möglichkeit“, sagte Göring-Eckardt. Die Grünen wollten einen eigenständigen Wahlkampf führen, möglichst gut abschneiden und dann sehen, mit wem sie ihre Inhalte am besten durchsetzen können, bekräftigte ihr Co-Fraktionschef Anton Hofreiter in der Samstagsausgabe der Berliner Zeitung: „Es wäre ein großer Fehler, sich als Grüne auf Schwarz-Grün festzulegen.“
Der Spiegel hatte zuvor von einem vertraulichen Abendessen Merkels mit dem baden-württembergischen Regierungschef am vorigen Sonntagabend in Berlin berichtet. Kretschmann ist klarer Befürworter eines schwarz-grünen Bündnisses nach der Bundestagswahl 2017, auch die CDU-Chefin gilt als aufgeschlossen dafür.
Das Stuttgarter Staatsministerium war am Freitag nicht konkret auf den Bericht eingegangen, erklärte aber, dass Merkel und Kretschmann von Zeit zu Zeit miteinander über bundespolitische Themen sprächen. Die CDU äußerte sich nicht. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte: „Über mögliche vertrauliche Gespräche und Begegnungen der Bundeskanzlerin geben wir grundsätzlich keine Auskunft.“
Kretschmann (68) hatte im März mit den Grünen die Landtagswahl in Baden-Württemberg gewonnen und regiert seither in einer Koalition mit der CDU. Seit Bundespräsident Joachim Gauck erklärt hat, nicht für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, wird er als potenzieller Nachfolger gehandelt. Er selbst schweigt dazu.
Der Ministerpräsident warb im Spiegel erneut für ein Bündnis mit der Union: Schwarz-Grün passe in eine Zeit, die geprägt sei von Unsicherheit und Krisen. Offizielle Grünen-Linie ist dagegen, sich nicht festzulegen. Die zum linken Flügel zählende Parteichefin Simone Peter schrieb auf Twitter: „Für Zusammenhalt, Freiheit und Selbstbestimmung steht diese Union gerade gar nicht.“ Der prominente Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele kritisierte Kretschmann persönlich über Twitter: „Parteifreund Winfried scheint etwas abzuheben. Suboptimal vor den Wahlen“ in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin im September.
28 Aug 2016
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Am Mittwoch entscheidet sich, wer die Grünen in den Wahlkampf führt. Özdemir und Hofreiter stammen aus Arbeiterfamilien. Ein Stigma?
Sein größtes Ziel, eine politische Revolution in Deutschland, hat der Christian Ströbele nicht erreicht. Trotzdem verlässt er sein Amt nicht ohne Hoffnung.
Die Grünen-Basis kürt das Spitzenduo für 2017. Es geht um die Macht in der Partei. Dabei trifft moralischer Reinraum auf Kompromisskult.
Beim Länderrat haben die Grünen am Samstag in Berlin den Startschuss für die Urwahl ihrer beiden SpitzenkandidatInnen gegeben.
Keiner weiß, wer 2017 im Bundestag die Mehrheit stellen wird. Umso unklüger, dass Winfried Kretschmann außer Schwarz-Grün nichts mehr sieht.
Schwarz-Grün oder R2G? Jürgen Trittin rät seiner Partei zum Linksbündnis – und greift den Kurs von Katrin Göring-Eckardt an.
Mit ihrem rechtspopulistischen Kurs sabotiert die CSU alle schwarz-grünen Gedankenspiele. Aber es gäbe einen Ausweg.
Die Verhandlungen von CDU und Grünen werden torpediert. Markus Söder etwa will hunderttausende Flüchtlinge in ihre Heimat zurückschicken.
Sechs Demos wandten sich in Prag gegen den Besuch der Bundeskanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik. Doch Merkel weiß mit Kritikern umzugehen.
Die Kanzlerin fordert die Loyalität der Türkeistämmigen. Die kann man aber nicht erzwingen, sondern nur gewinnen.
Angela Merkel ruft Bundesbürger mit türkischen Wurzeln zu Loyalität gegenüber Deutschland auf. Sie warnt vor gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Vertrauliches zum Koalitionsvertrag bereitet in Baden-Württemberg Grün-Schwarz zunehmend Probleme. Jetzt werden neue Geheimabsprachen bekannt.
Die Grüne Ramona Pop könnte in Berlin Regierende Bürgermeisterin werden. Das muss ihre Partei erst einmal verkraften.
Die ablehnende Haltung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten sorgt innerparteilich für Ärger. Der linke Flügel der Grünen begehrt auf.
Kretschmann kennt sich aus im Mauscheln und gibt es offen zu. Doch er hat Misstrauen gesät, das seine jetzige Offenheit nicht zerstreuen kann.