taz.de -- Kolumne Habibitus: Die Islamisierung des Hinterns

Neben den Klos von Kanaken steht oft eine Gießkanne. Almans fragen, was das soll. Ganz einfach: Papier sparen, Umwelt schonen, sauber sein.
Bild: Was fehlt? Die Gießkanne!

Viele Kanaken erinnern sich an die Fragen von Almans, die nach dem Toilettengang bei ihnen Zuhause gerne wissen wollten, warum eigentlich eine Gießkanne neben dem Klo stünde. Viele von uns waren damals zu assimiliert für die Wahrheit und behaupteten, sie wäre für die Pflanzen bestimmt und stünde im Bad, weil dort der Wasserhahn war, kristallklar von Logistik-Logik her. Ich habe mich nicht getraut, ihnen zu sagen, dass das Ding namens „aftabeh“ dafür da ist, dass wir uns nach jedem Klogang mit Wasser waschen.

Manche unserer Familienfreund_innen gingen sogar den Extrakilometer des Komforts und montierten kleine Wasserschläuche neben dem Klo, um sich lästiges Auffüllen zu sparen. Oft waren diese allerdings schlecht installiert und leakten. Ich wusste nie, ob Kanakenbadezimmer deswegen oft nasse Böden hatten oder weil wer beim Wud’u, dem Waschen vor dem Gebet, einfach fahrlässig mit dem Wasserstrahl des Waschbeckens um sich gespritzt hatte.

Die Regel war jedenfalls: Ohne Plastikschlappen betrat man kein Badezimmer. Hipster-Almans können mit ihrem Normcore-Style noch so sehr versuchen, sich Adiletten zu eigen zu machen, sie sind und bleiben die Signatur des Kanaken-Badezimmer-Looks. Ist einfach so.

Auf Reisen nahmen wir immer PET-Flaschen mit aufs Klo, unser aftabeh-2-go quasi. Auch heute noch ein obligatorischer Tascheninhalt für mich. Das war jedoch nicht immer so. Als ich frisch von Zuhause ausgezogen war und in unterschiedlichen Wohngemeinschaften mit Almans lebte, assimilierte ich mich an deren Klopapierpolitik. Ich fühlte mich in der Zeit immer unterschwellig dreckig.

Was ist das für 1 Lifestyle?

Mir wurde auch bewusst, wie viel Papier verbraucht wird, wenn mehr als zwei Blätter pro Person pro Klogang benutzt werden. In meiner Drei-Personen-WG wurde fast eine Rolle pro Tag verbraucht. Ich finde das exzessiv. Liebe Almans, was ist das für 1 verschwenderischer Lifestyle? Kennt ihr Umweltschonung?

Die Papierindustrie schlägt natürlich viel Profit aus dieser Norm. DarkMatter, ein queeres Performance-Duo, sagten treffend: „Wenn wieder jemand fragt, wer den Regenwald zerstört, dann lautet die Antwort: weiße Arschlöcher!“

Jedes Mal, wenn 1 Alman behauptet, Ausländer seien dreckig, frag ich mich, in welchem Tunnel diese Person steckt. Weil ich weiß ganz genau, dass die Person mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mal feuchtes Klopapier benutzt. Hat sie aus Geschichte nicht gelernt? Weiß sie nicht, was da los war bei Mittelalter und diese Pest? Was ist das für 1 Hygieneverständnis? Wenn ich irgendwo auf der Haut mit Scheiße beschmiert bin, tupfe ich es doch nicht nur sanft mit einem Tempo ab und erkläre den Job für erledigt! Nicht mal bei meinen Schuhen, eher würde ich sie verbrennen.

Meine Schwester ist seit Jahren auf einer Mission, sie ist eine absolute Gießkannen-Agentin. Allen ihren Freund*innen, die sich nur mit Klopapier abwischen, legt sie das Wasser ans Herz. Beziehungsweise an den Anus. Alle, die sich darauf einließen, sind ihr für das neue Lebensgefühl dankbar. Wir gönnen uns einfach hart von Islamisierung des Hinterns her.

29 Aug 2016

AUTOREN

Hengameh Yaghoobifarah

TAGS

Kolumne Habibitus
Toilette
Klopapier
Hygiene
Toilette
Kolumne Habibitus
Kolumne Habibitus
Kolumne Habibitus
Kolumne Habibitus
Deutschland
Kolumne Habibitus
Kolumne Habibitus
Kolumne Habibitus

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Liebeserklärung: Kampf der Kackkulturen

In Köln wird ein Hockklo installiert und besorgte Bürger sehen das Abendland in Fäkalien versinken. Dabei sind deutsche Sitzklos scheiße.

Kolumne Habibitus: Yallah, auf die Straße

Das „C“ von CDU steht für „catastrophe“ – oder kurz: Kadda. Scheiß auf Dialog, hier ist ein offener Brief und ihr hört mal schön zu!

Kolumne Habibitus: Freche Almans & The City

Warum werden Durchschnittsdeutsche beim Anstehen eigentlich immer zu solchen Haywans? Da helfen nur noch Kopfhörer.

Kolumne Habibitus: Horror aus der Flasche

Montag ist Halloween. Aber wie gruselig ist bitte das Leben? Um katastrophalen Kostümen vorzubeugen, hier ein paar Tipps.

Kolumne Habibitus: „Bio“ ist für mich Abfall

Manche Begriffe sind so pseudo-korrekt, dass sie Sprache nur verschlimmbessern können. „Biodeutsch“ ist so ein desaströses Wort.

Kolumne Habibitus: Smile Like An Alman

Selbst Freundlichkeit kommt in Deutschland passiv-aggressiv daher. Bestes Beispiel: Der Balken an der Supermarktkasse.

Kolumne Habibitus: Von Beyoncé lernen

103 Euro, die es absolut wert waren: Unsere Autorin sieht eines von nur zwei Deutschlandkonzerten der großen Beyoncé und ist hingerissen.

Kolumne Habibitus: Sachlichkeit ist für Lauchs

Früher war ich sehr wütend, heute bin ich eher „shady“. Am liebsten lästere ich über weiße Typen, die sich kackscheißig verhalten.

Kolumne Habibitus: Wallah, Jörgie, mach nicht so!

Wenn Tussis und Kanack_innen linke Räume betreten wollen, müssen sie erstmal am Türsteher vorbei. Und sich rechtfertigen.