taz.de -- Neues Album von Frank Ocean: So werden Fans vergrault

Frank Ocean kündigte schon oft an, dass sein neues Album rauskommt – kam es bis jetzt aber nicht. Fans glauben nun an den Montag.
Bild: Montag soll nun endlich Frank Oceans Album rauskommen – oder er trollt nur wieder

Frank Ocean ist Troll aus Selbstschutz. Oft postete er News auf Tumblr: Fotos, eine Notiz, das Releasedatum für ein Album namens „Boys Don’t Cry“. Schließlich sollte es vor zwei Wochen veröffentlicht werden. Es kam nicht. Besser kann man Fans nicht vergraulen.

Freitag hat Frank Ocean neue Musik veröffentlicht. „Endless“ ist der 45-Minuten-Soundtrack zum Schwarz-Weiß-Film, dessen Kulisse Ocean seit Wochen im Internet streamt: Er und eine andere Person befinden sich in einer Lagerhalle mit Soundsystem und Werkbank, sägen Holzklötze und schichten sie zu einer Wendeltreppe auf. Dazu erzählt eine Vocoderstimme vom Leben in Zeiten des Livestreams.

Obwohl Ocean 2012 für sein Album „Channel Orange“ mit Lob und für sein Coming-out mit Liebe überschüttet wurde, ist er der Soulsänger geblieben, der seine Seele verbirgt. Auf „At Your Best (You Are Love)“, im Original von den Isley Brothers, lässt er sich vom Radiohead-Gitarristen und dem Blue-eyed-Soulboy James Blake begleiten, Musterknaben weißer Empfindsamkeit, die Ocean mit seiner Falsettstimme aussticht.

Früher hat er über den Pazifik als Sehnsuchtsort gesungen, heute verflüssigt Frank Ocean seine Persona, erzählt, wie er den Kopf an der Schulter eines Freundes ablegt, der nichts von ihm wissen will. Ein andermal malt er einem Mädchen Kleinfamilienidylle aus. Die 18 Songs springen zwischen R&B-Beats und Electronicasprengseln, Grenzen sind kaum auszumachen.

Oceans Stimme hält alles zusammen, mal vernuschelter Sprechgesang, mal zärtliche Fistelstimme. Dann ist die Wendeltreppe fertig, ein Trapbeat erklingt. Ocean rappt, dass er bisweilen im Rampenlicht steht. Er steigt sie hoch, die Hi-Hats rattern, Stille. Die Vocoderstimme erklingt und mündet in einen Synthiepopsong: Fotograf Wolfgang Tillmans singt mit starkem Akzent: „Life/Your life can be streamed.“ Wozu wird unser Voyeurismus vorgeführt? Am Montag soll das „richtige“ Album von Frank Ocean erscheinen. Oder er trollt nur wieder.

19 Aug 2016

AUTOREN

Christian Werthschulte

TAGS

Soul
Coming-Out
Musik
R&B
Popmusik
New York
Ungarn
David Toop
Klassik
Festival
Global Pop

ARTIKEL ZUM THEMA

„Blonde“ von Frank Ocean: Jungs weinen anscheinend doch

Nun ist es raus: Frank Ocean veröffentlicht mit „Blonde“ ein zerfasertes neues Werk. Hält es den Erwartungen stand?

Popkulturelle Gegenwartsdiagnose: Am besten laut und blutig

Jens Balzer erzählt in „Pop. Ein Panorama der Gegenwart“, was in der Popmusik seit der Jahrtausendwende aus seiner Sicht geschah.

US-Musiker David Grubbs: Geistesblitze aus der Gitarre

Der New Yorker David Grubbs ist Avantgardemusiker und Gitarrist. Die ungewohnte Paarung prägt sein neues Album „Prismrose“. Nun kommt er auf Tour.

Sziget-Festival in Budapest: Der Suff und die Politik

Beim Popfestival Sziget geht es um Flucht und Migration – nur leider nicht auf den Hauptbühnen. Da performen David Guetta und Rihanna.

David Toop über lebendige Musik: „Da lief Bach, ich wurde sauer“

Der britische Musiker und Autor David Toop über die Wiederkehr der Improvisation und den Kampf um Spontaneität – sowohl in Texten als auch in der Musik.

Gemeinnütziges Musikprojekt „Musethica“: Der Körper ist eine Antenne

Avri Levitans ungewöhnliches „Musethica“-Projekt spielt Konzerte mit veränderter Hierarchie – die Zuhörer geben den Musikern etwas, nicht umgekehrt.

Kolumne Ausgehen und Rumstehen: I’m a happy dreamer

Ob sie aus Marokko oder Dänemark sind, ist egal: Wo lächelnde Schamanen musizieren, haben coole alte Männer das Sagen.

Global Pop-Festival in Berlin: Regenguss und Sufi-Trance

Das „By The Lake“-Festival ist wie ein Weltmusik-Festival für Leute, die das Wort „Weltmusik“ hassen.