taz.de -- Reaktion der Erdoğan-Regierung: Über 2.500 türkische Richter entlassen

Nach dem Putsch beginnt das Aufräumen. Laut Berichten wurden zehn Mitglieder des türkischen Staatsrats festgenommen. 2.745 Richter wurden entlassen.
Bild: Das Imperium schlägt zurück: Erdogan am Tag nach dem Putschversuch

Istanbul/Ankara dpa/afp/ap | Nach dem Putschversuch in der Türkei sind laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu 2.745 Richter abgesetzt worden. Zudem seien zehn Mitglieder des türkischen Staatsrats in der Hauptstadt Ankara festgenommen worden. Ihnen werde Unterstützung des Putsches vorgeworfen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag. Ob es sich bei den Festgenommenen um Richter oder Staatsanwälte handelte, war zunächst unklar.

Der Staatsrat ist eines der obersten Gerichte in der Türkei. Das türkische Parlament hatte erst kürzlich für eine umstrittene Justizreform gestimmt, die den Staatsrat und den Kassationshof betrifft. Demnach soll die Zahl der Mitglieder der Gerichte gesenkt werden. Kritiker befürchten, dass diese dann durch regierungstreue Richter und Staatsanwälte ausgetauscht werden. Das Gesetz tritt erst mit der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

Zudem hat die Türkei den auch von der Bundeswehr genutzten Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der südlichen Provinz Adana abgeriegelt. Wie das US-Konsulat am Samstag mitteilte, wurde die Energieversorgung unterbrochen, der Zugang zur Basis und auch das Verlassen des Stützpunktes wurden aus Sicherheitsgründen untersagt. Auf der Basis haben mehrere Länder, darunter Deutschland, Verbände stationiert, die sich am Kampf gegen die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien beteiligen.

Bei dem versuchten Umsturz in der Nacht zum Samstag waren 265 Menschen getötet worden. 2.839 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte wurden nach Regierungsangaben festgenommen.

Der Chef des Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, erklärte, der Einsatz gegen die Putschisten sei weitgehend abgeschlossen. Vereinzelte Operationen würden aber noch einige Stunden andauern. Bei 161 der Toten handelt es sich laut Ministerpräsident Binali Yıldırım um regierungstreue Sicherheitskräfte oder Zivilisten. Hinzu kämen 104 getötete Putschisten. Zudem seien 1.140 Menschen verletzt und 2.839 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte festgenommen worden.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan bekräftigte nach einer chaotischen Nacht am Samstagmorgen in Istanbul: „Die Türkei wird nicht vom Militär regiert.“ Er kündigte an, die Streitkräfte „vollständig zu säubern“. Erdoğan sagte, bei den Putschisten handele es sich um eine Minderheit im Militär. Fünf Generäle und 29 Oberste sollen nach Angaben aus Regierungskreisen ihrer Posten enthoben worden sein.

16 Jul 2016

TAGS

Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Putschversuch
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Türkei

ARTIKEL ZUM THEMA

Nach dem Putschversuch in der Türkei: Säuberungsaktion geht weiter

In der Nacht strömten Tausende auf die Straßen, um Erdogan ihre Unterstützung zuzusagen. Der denkt indes über die Einführung der Todesstrafe nach.

Kommentar Putschversuch in der Türkei: Phoenix aus der Asche

Die Möchtegern-Putschisten haben Erdoğan einen nachhaltigen Erfolg beschert. So kann er seinen Mythos des unbesiegbaren Osmanen nähren.

Die Türkei am Tag danach: Ein Putschversuch, viele Fragen

So desorientiert sich die Putschisten verhielten, so genau weiß die Regierung, was zu tun ist. Nur gegen die Gerüchte über das Geschehen kann sie nichts tun.

Putsch-Historie der Türkei: Wenn die Panzer rollen

1960, 1971, 1980: Politische Umstürze durch das Militär haben in der Türkei eine gewisse Tradition. Die Streitkräfte verstehen sich als Hüter des Kemalismus.

Putschversuch in der Türkei: Totenstille und Kriegslärm

Als der Putsch droht, sind sich alle politischen Lager plötzlich einig. Protokoll einer Nacht, in der alles möglich schien.

Onlinemedien beim Putschversuch: Erdoğan mag Twitter doch

Akteure und Beobachter waren in der Nacht auf Online-Kanäle wie Twitter und Facetime angewiesen – ironischerweise auch Präsident Erdoğan.

Internationale Reaktionen: Schulterschluss mit Leerstelle

Politiker aus aller Welt stellen sich an die Seite der Demokratie in der Türkei. Der Name Erdoğan fällt in den Solidaritätsadressen allerdings nicht.

Putschversuch in der Türkei: Eine dramatische Nacht

Der Umsturzversuch ist gescheitert, es gab über 200 Tote und knapp 3.000 Festnahmen. Präsident Erdoğan kündigt ein hartes Vorgehen an.

Putschversuch des türkischen Militärs: Mindestens 60 Tote

Die türkische Regierung erklärt, die Lage unter Kontrolle zu haben. Hunderte Militärs werden verhaftet. Bei Zusammenstößen sterben viele Menschen.