taz.de -- Krisentreffen der AfD: Ein bisschen Frieden

Ernste Gesichter bei der ersten Sitzung des AfD-Vorstands nach dem Eklat in Stuttgart – die Vorsitzenden Petry und Meuthen üben sich in Schweigen.
Bild: Betonte Beiläufigkeit: Die AfD-Parteivorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen begrüßen sich vor der Sitzung des Bundesvorstands

Berlin dpa | André Poggenburg tritt am Morgen als erstes Mitglied des AfD-Bundesvorstandes vor die Kameras. „Thematisch haben wir den Altparteien vieles voraus“, sagt der Vorsitzende der Magdeburger Landtagsfraktion in zackigem Ton. Nur in Sachen „Parteidisziplin“, da habe die AfD noch Nachholbedarf, fügt er hinzu. Ein anderes Mitglied des Führungsgremiums drückt es etwas anders aus: „Unsere Inhalte haben gerade Hochkonjunktur – ach, wenn die Kollegen doch manchmal einfach nur schweigen würden, dann wäre schon viel gewonnen.“

Die Inhalte der AfD, das sind momentan vor allem „Grenzschutz“, „Beschränkung von Asyl und Einwanderung“. Und der Vorwurf, zu viele deutsche Muslime seien Integrationsversager.

Zumindest die beiden Parteivorsitzenden, Frauke Petry und Jörg Meuthen, kommen der Bitte nach ein bisschen Schweigen an diesem kühlen Julimorgen nach. Auch Parteivize Alexander Gauland ist beim Betreten der Parteizentrale ungewohnt wortkarg. Der Vorsitzende der Berliner AfD, Georg Pazderski, behält seinen Ärger für sich. Dabei ist Pazderski gehörig genervt. Er steht mitten im Wahlkampf und muss erleben, wie seine Partei wegen eines Streits zwischen den zwei Führungskräften Sympathien einbüßt.

Es ist die erste Begegnung zwischen Petry und Meuthen seit dem Eklat von Stuttgart. Wir erinnern uns: Am Mittwoch vergangener Woche hatte Petry ohne Absprache mit Meuthen in Stuttgart interveniert, als die bislang von Meuthen geführte baden-württembergische Landtagsfraktion zerbrach. Da kochten die Emotionen hoch. Jetzt hat man sich wieder im Griff. Ein paar Allgemeinplätze, eine kühle Bussi-Bussi-Begrüßung, dann nehmen Meuthen und Petry am Konferenztisch Arbeitshaltung an. Auf dem Tisch stehen Deutschland-Fähnchen. Die Tür geht zu.

Der nächste Ärger steht schon bevor

Führungsquerelen gehören seit 2014 zur AfD wie der rote Pfeil im Parteilogo. Doch die Partei, die 2013 von Gegnern der Eurorettungspolitik gegründet wurde, hat noch eine zweite Dauerbaustelle: die Abgrenzung zum Rechtsextremismus. Denn Rassisten, Verschwörungstheoretiker und Antisemiten in den Reihen der AfD schrecken bürgerliche Wähler ab.

Dass solche Mitglieder in der Partei eines Tages den Ton angeben könnten, hält Meuthen zwar nicht für wahrscheinlich. Dass die AfD da eine offene Flanke hat, sieht er aber auch. Er sagt: „Ich glaube, dass es unter anderem meine Aufgabe ist, das zu verhindern.“ Im Fall des baden-württembergischen Abgeordneten Wolfgang Gedeon hat er sich erst für einen Fraktionsausschluss stark gemacht und jetzt auch ein Parteiausschlussverfahren angestrengt.

Doch der nächste Ärger steht in Baden-Württemberg schon ins Haus. Zu den Mitgliedern des Landesschiedsgerichts, das demnächst in der Causa Gedeon entscheiden soll, gehört der Rechtsanwalt Dubravko Mandic, der selbst schon mit rassistischen Kommentaren aufgefallen war. „Das steht nächste Woche auf der Agenda“, sagt Meuthen.

Doch die Abgrenzung zu Ideen und Gruppierungen, die möglicherweise nicht verfassungskonform sind, bereitet nicht nur den Mitgliedern seines Landesverbandes Schwierigkeiten. Das Bundesschiedgericht soll in den nächsten Wochen über die Auflösung des saarländischen Landesverbandes wegen Kontakten zu Rechtsradikalen beraten.

In Sachsen-Anhalt wehrt sich aktuell eine Gruppe von Parteifunktionären gegen Verbindungen der AfD zur „Identitären Bewegung“ (IB), die in anderen Bundesländern bereits als rechtsextreme Gruppierung unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. „Die IB ist für uns noch viel zu wenig zu fassen, ihre Vertreter sprechen nicht alle mit einer Stimme“, sagt Poggenburg. Er stehe deshalb hinter dem Bundesvorstandsbeschluss vom Juni, der eine Zusammenarbeit mit den Identitären ausschließt.

Die IB hat ihren Ursprung in Frankreich. Sie lehnt die Einwanderung nach Europa ab, propagiert völkische Ideen und bedient sich dabei nach Einschätzung des baden-württembergischen Verfassungsschutzes zuweilen einer „martialischen Kriegsrhetorik“.

Genau das werfen einige politische Gegner aber auch der AfD vor – vor allem ihrem rechtsnationalen Flügel. Zu dessen prominentesten Vertretern zählen Poggenburg und der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke. Doch auch Petry schreckt nicht davor zurück, eine direkte Linie zwischen Einwanderung und islamistischem Terror zu ziehen. Obwohl es sich bei dem Attentäter von Nizza wohl um einen französischen Staatsbürger handelt, kommentiert sie das Blutbad auf dem Weg zur AfD-Vorstandssitzung im Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: „Wie oft noch??? #grenzenstattterror #afd“.

15 Jul 2016

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