taz.de -- Kommentar Demonstrationsfreiheit: Pro Erdoğan ohne Erdoğan
Der türkische Präsident durfte nicht auf der Demo in Köln sprechen. Dabei sollte der Rechtsstaat gerade in nervöser Zeit seine neutrale Stärke zeigen.
Man darf in Deutschland gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan demonstrieren, auch wenn er ein „wichtiger Partner“ der Kanzlerin ist. Umgekehrt darf man auch für Erdoğan demonstrieren, selbst wenn dieser gerade die Demokratie in der Türkei abschafft.
Es ist das Wesen der Demonstrationsfreiheit, dass sich der Staat nicht in die Inhalte der Kundgebung einmischt, solange die Gesetze beachtet werden. Eine solche Einmischung war aber das Verbot, Erdoğan per Videobotschaft zu den Kölner Pro-Demonstranten sprechen zu lassen. Die Kölner Polizei hat dies verboten, da eine Zuschaltung die Anhänger aufstacheln und zu Straftaten führen könnte.
Zulässig sind solche Demo-Auflagen eigentlich nur, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte gibt, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Die Kölner Polizei konnte allerdings keine Indizien nennen, dass Erdoğan in der geplanten Videorede zu Gewalt oder Einschüchterung aufrufen wollte. Eine Klage gegen das Verbot hätte also Erfolg haben müssen. Doch das Kölner Verwaltungsgericht erklärte, dass die Versammlungsfreiheit nicht die Liveübertragung eines Politikers aus dem Ausland schütze. Das Bundesverfassungsgericht war damit einverstanden.
Das ist schwach. Ein Veranstalter einer Demonstration kann Inhalt und Ablauf einer Versammlung selbst bestimmen. Dazu gehört auch, wer wie redet. Ob der Redner vor Ort ist, zugeschaltet wird oder ob das Vermächtnis eines Toten eingespielt wird, bestimmt der Veranstalter. Wenn jemand Edward Snowden oder Barack Obama zuschalten will, ist das sein gutes Recht. Nichts anderes kann für Erdoğan gelten.
Den deutsch-türkischen Demonstranten wurde hier in einer symbolisch wichtigen Frage der Rechtsschutz verweigert. Dabei sollte der Rechtsstaat gerade in nervöser Zeit seine neutrale Stärke für alle zeigen.
31 Jul 2016
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