taz.de -- Kommentar Integrationsgesetz: Konjunkturprogramm für die AfD
Flüchtlinge zu Billiglöhnen arbeiten zu lassen, wäre fatal. Regulär bezahlte Jobs würden ersetzt. Freuen dürften sich Rechtspopulisten.
Am Donnerstag stellte die Stiftung Mercator eine neue Studie vor. In ihrem Auftrag hatten Sozialwissenschaftler die Deutschen befragt, ob ihnen noch wohl ist, mit all den Flüchtlingen im Land. Das Ergebnis: Ist es nicht. Jedenfalls vielen nicht. Die so genannte Willkommenskultur, sie erodiert, [1][hatten die Forscher herausgefunden].
Dagegen ließe sich einiges tun. Der sicherste Weg aber, die verbleibende Offenherzigkeit der Normaldeutschen gegenüber Flüchtlingen in Richtung Nullpunkt zu drücken ist: Die Ankommenden zu Billigarbeitskräften machen.
Es ist das älteste, am meisten verbreitete Argument gegen Einwanderung: MigrantInnen nehmen denen, die schon hier sind, die Jobs weg, weil sie bereit sind, für weniger zu arbeiten. Und die, die danach noch Arbeit haben, verdienen weniger, weil die vielen billigen Arbeitskräfte die Löhne insgesamt drücken.
Es war deshalb ein Segen, dass der Mindestlohn verabschiedet wurde, bevor im letzten Jahr hunderttausende Asylsuchende nach Deutschland kamen. Die Verteilungskämpfe im Niedriglohnsektor sind auch so hart genug. Die Lohnuntergrenze war Schutz gegen einen ruinösen Unterbietungswettbewerb, der nicht nur die Löhne, sondern wohl auch die lange vergleichsweise freundliche Stimmung im Land herunterzuziehen vermag.
Mit ihrem so genannten [2][Integrationsgesetz tut die Bundesregierung jetzt ihr Bestes], dies nachzuholen. Was sie als „ersten Schritt in den Arbeitsmarkt“ verkauft, ist tatsächlich ein erster Schritt für einen separaten Billigarbeitsmarkt für Flüchtlinge. Und damit ein Konjunkturprogramm für die AfD.
Die Wirtschaft macht die Sache nicht besser. Als im letzten Jahr alle „Wir schaffen das“ versicherten, wollte sie nicht abseits stehen. Es gab neue Selbstverpflichtungen und „Beschäftigungspakte“ im Tagesrhythmus. Nun stellt sich heraus: Außer ein paar Praktika ist dabei offensichtlich kaum etwas herausgekommen. Ganze 54 Flüchtlinge haben die 30 größten deutschen Konzerne bislang eingestellt. Stattdessen haben sie schon sehr früh nach Mindestlohnausnahmen verlangt, die sie zum Glück nicht bekommen haben.
Die jetzt beschlossenen staatlichen Billigjobs sind erstmal nur für Tätigkeiten in den Asyl-Heimen selbst gedacht. Doch die Erfahrung mit den Hartz-Reformen hat gezeigt, dass die massenhafte Verfügbarkeit solcher Ultrabillig-Arbeitskräfte immer auf Kosten regulär bezahlter Tätigkeiten geht. Die Unternehmen wissen dies für sich auszunutzen. Und jene, die von Flüchtlingen nur als „Invasoren“ sprechen, auch.
8 Jul 2016
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