taz.de -- Sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat: Grüne sagen Showdown ab
Das umstrittene Gesetz wird am Freitag doch nicht behandelt. Regierung und Grüne verabreden einen gesichtswahrenden Aufschub.
Berlin taz | Die Entscheidung des Bundesrats über die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten wird nochmals vertagt. Das Thema werde am Freitag nicht auf die Tagesordnung der Länderkammer gesetzt, erfuhr die taz am Donnerstag aus Grünen-Kreisen. Jetzt soll sich der Bundesrat in seiner Sitzung am 23. September erneut mit der Frage beschäftigen.
Eigentlich sollte der Bundesrat morgen über das Gesetz der Bundesregierung entscheiden, welches Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Doch der Bundesregierung fehlt eine Mehrheit, weil die meisten von Grünen mitregierten Länder das Gesetz wegen menschenrechtlicher Bedenken ablehnen.
Eine Verhandlerrunde der Grünen hatte sich am Donnerstag noch einmal mit Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) getroffen, um einen Kompromiss in letzter Minute auszuloten. Mit am Tisch saßen Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und wichtige Länder-Grüne, etwa Nordrhein-Westfalens Vize-Regierungschefin Sylvia Löhrmann, der Schleswig-Holsteiner Robert Habeck oder Hessens Umweltministerin Priska Hinz.
Die Grünen machten Altmaier bei dem Treffen im Kanzleramt klar, dass es keine Mehrheit für das Gesetz im Bundesrat geben werde. Beide Seiten verabredeten daraufhin, einen „Showdown“ zu vermeiden, hieß es in Grünen-Kreisen. Deshalb wurde vereinbart, eine Abstimmung und damit ein Scheitern des Gesetzes zu umgehen. Über den Sommer soll nun weiter über Verfahrensverbesserungen beim Asylrecht gesprochen werden.
Die Grünen schlagen ein „Fast and Fair“-Verfahren vor. Jenes würde Asylverfahren für Menschen beschleunigen, die aus Staaten mit einer niedrigen Anerkennungsquote kommen. Ihnen soll dabei jedoch eine unabhängige Rechtsberatung gewährt werden. Die Koalition aus CDU, CSU und SPD will dagegen an dem Konzept der sicheren Herkunftsstaaten festhalten. Dabei wird vom Staat vermutet, dass Asylbewerber aus den betroffenen Staaten keinen Anspruch auf Asyl haben.
7 Jul 2016
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