taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Elfen-Schreihälse „Cosmo & Wanda“
Kinder stehen auf Animationsserien. Häufig sind die nicht mehr als Dauerwerbesendungen. „Star Wars“ ist dagegen eine angenehme Ausnahme.
Hal-lo / Leute es sind Ferien / alle machen blau / von Flensburg bis nach Oberammergau / denn es sind Ferien / und mit viel Tamtam / und Information / steigt wieder unser Ferienprogramm – unser Ferienprogramm!“. Das bitte auf Jacques Offenbachs „Cancan“-Hauptthema singen, und schon wird ersichtlich, womit sich die damals zarte Generation X zwischen 1979 und 1989 an langen Sommernachmittagen die Zeit vertrieb: mit Fernsehen. Und mit Serien, Catweazle, Manni, Merlin.
Aber das ist bekanntlich passé. Tommi Ohrner ist alt, und Kinder gucken statt Fiktionalem am laufenden Band lieber YoutuberInnen, die eigene kurze Serien mit „Livehacks“ oder „Make Up Tutorials“ oder „Goofs“ produzieren, wobei kein Mensch die Filme gesehen haben muss, auf die die „Goofs“ anspielen, denn Filmegucken ist ja fast noch anstrengender und altmodischer als Seriengucken.
Unk, unk unk, Niedergang Abendland, und trau keinem über 30, der weiß, was Dramaturgie bedeutet. Der Kinderkanal von ARD und ZDF produziert zwar immer wieder anspruchsvolle Spielserien mit „moral appeal“ (clevere kleine Würstchen lösen ein paar Fälle, und müssen sich dabei ordentlich zusammenraufen), aber was Kinder und Teens tatsächlich noch an Seriellem anschauen, wenn niemand dabei ist, der sich darüber aufregen könnte, ist Animation.
Die Privatsender haben das längst erkannt. Sie göbeln in einem nicht enden wollenden Schwall enervierende Elfen-Schreihälse namens „Cosmo & Wanda“ in die Wohn- und Kinderzimmer oder die mit Dauergetrommel unterlegte Lego-Dauerwerbesendung „Ninjago“ oder der als „Madagascar“-Franchise herausgepresste Lemurenspaß „King Julien“, der neben dem Original stark abfällt. Jener Animations- und Zeichentrickhahn von „Toggo“ (SuperRTL) und „Nickelodeon“ versiegt nie und wird direkt frühmorgens aufgedreht.
Wer jetzt empört die verlässliche Qualität sarkastischer Beleidigungsfeuerwerke wie „South Park“, „Family Guy“ oder „Die Simpsons“ lobt, der hat wohl noch nie in die Programmzeitung geguckt: Diese Erwachsenenserien laufen, je nach Härtegrad der Gags, teilweise erst im Abendprogramm ab 20 Uhr und damit für über zwölfjährige Augen und Ohren. „Die Simpsons“ als Wanderer zwischen den Welten – mal genial komisch, mal um die Ecke gedacht und dann doch bei „politisch unkorrekt“ gelandet – kann man größtenteils auch am Tag bekichern.
Im Angesicht dieses Zustands sind Animationsserien wie „Star Wars – The Clone Wars“, die bis 2014 aus George Lucas’ Klon-Clowns-Welt erzählten, ein Segen: Hier muss man sich immerhin kinderschutztechnisch höchstens über ein bisschen zu dolles Gehaue auf tumbe außerirdische Roboter ärgern. Dafür sind die Charaktere teilweise angenehm unklischiert gezeichnet, setzen sich über konservative Genderzuordnungen hinweg und denken auch schon mal darüber nach, ob KlonkriegerIn wirklich ein Traumberuf ist.
Wer weiß, vielleicht wecken sie bei den großäugigen Kleinen ja irgendwann den Wunsch nach realen Menschen, etwa als Schauspieler in einem Spielfilm. Und schwups – hätte man wieder einen Berufsstand gerettet.
20 Jul 2016
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