taz.de -- Teil-Rekommunalisierung der Bremer Abfallwirtschaft: Müllabfuhr wird kommunaler
Die Müllabfuhr soll zurück in städtische Hand – aber nicht mit mehrheitlicher Beteiligung.
BREMEN taz | „Müllabfuhr und Straßenreinigung werden wieder städtisch“: So lautet die Überschrift der Senatsmitteilung vom gestrigen Dienstag – aber sie verspricht mehr als sie hält: Denn ab 2018 soll ein großer Teil der Bremer Abfallwirtschaft rekommunalisiert werden, aber eben nicht der größte, geschweige denn alles. 49,9 Prozent gehen an Bremen, der Rest wird für private Beteiligungen europaweit ausgeschrieben.
Zu diesem Zwecke gründet die Stadt eine Anstalt öffentlichen Rechts. Unter ihrem Dach werden zwei Gesellschaften für die Müllabfuhr sowie für die Straßenreinigung und den Winterdienst gebündelt. Bremen übernimmt jeweils 49,9 Prozent der Anteile. „Die Verträge für Winterdienst und Reinigung werden für fünf Jahre ausgeschrieben und für die Müllabfuhr für zehn Jahre“, begründet Jens Tittmann, Sprecher von Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne), die Gründung von zwei GmbHs.
Mit diesem Schritt wird ein Vorhaben aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag umgesetzt – kein Wunder, dass die Bremer SPD-Fraktion ihn als „zukunftsweisende Weichenstellung“ bezeichnet. Die Teil-Rekommunalisierung werde eine „ökologisch effiziente Entsorgung und Verwertung des Abfalls vorantreiben“, sagt Maike Schaefer, Fraktionsvorsitzende der Grünen.
Eine vollständige Rekommunalisierung wäre „mit immensen Kosten und damit höheren Gebühren für die Bürgerinnen und Bürger verbunden“, sagt Schaefer. Denn durch die Privatisierung der Müllentsorgung vor 20 Jahren habe die Stadt Infrastruktur und Fachwissen verloren. Tittmann bestätigt das: „Wir müssen uns das Know-how aufbauen und dann schauen, ob eine vollständige Rekommunalisierung für uns auf Dauer bezahlbar und leistbar ist.“ Mit einer Mehrheitsbeteiligung ab 2018 hätte Bremen „das Ding an die Wand gefahren“.
Für Klaus-Rainer Rupp von der Bremer Linksfraktion ist das „das Eingeständnis eines schweren strategischen Fehlers“. Denn SPD und Grüne regierten in Bremen seit immerhin neun Jahren „und dass die Abfall-Verträge im Jahr 2018 auslaufen, wissen wir ja nicht erst seit gestern“. Es sei genügend Zeit dagewesen, „um sich das Know-how anzueignen, das jetzt angeblich fehlt. Entweder hat die Koalition das verpennt oder auf die lange Bank geschoben“.
Viele Vorteile einer Rekommunalisierung fielen bei einer Minderheitsbeteiligung weg: Die Befreiung von der Mehrwertsteuer, Transparenz bei den Gebühren und ein vernünftiger Tarif für die Beschäftigten: „Ich will das nicht kleinreden, denn 49,9 Prozent sind mehr als ich befürchtet hatte – dennoch ist das nur ein kleiner Schritt“, sagt Rupp.
In der Tat werden auch in Zukunft die Beschäftigten der Abfallbetriebe nicht nach den Tarifen des öffentlichen Dienstes bezahlt, aber: „Beide Gesellschaften müssen sich an den Bundestarif der Entsorgungswirtschaft halten“, sagt Tittmann. Das tut die Firma Nehlsen, die noch bis mindestens 2018 für die Entsorgung in Bremen zuständig ist, nicht: Laut Ver.di zahlt sie sogar noch unter dem Tarif der privaten Entsorger.
So wertet auch die Gewerkschaft den Schritt der Müllentsorgung zurück in Bremer Hand positiv, wenngleich sie bereits seit 2013 eine vollständige Rekommunalisierung fordert. Erst vor knapp drei Monaten hat Ver.di-Geschäftsführer Rainer Kuhn eine städtische Beteiligung als „Symbolpolitik“ bezeichnet. „Die Stadtreinigung und der Winterdienst gehören auf jeden Fall in städtische Hand“, sagt er gegenüber der taz, „und zwar schon 2018.“
13 Jul 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Privatisierung der Abwasserversorgung könnte Bremen 2028 fast 600 Millionen Euro kosten, rechnet der Ökonom Ernst Mönnich vor
Die Wassergebühren in Bremen sollen steigen – aber nicht zugunsten des Versorgers Hansewasser, sondern für die kommunale Verwaltung des Umwelt-Betriebes Bremen.
Mieter und Vermieter wehren sich gegen rot-grüne Pläne einer neuen Gebühr für die Wegereinigung. Denn Hamburg müsse bezahlbar bleiben
Der Wettbewerb funktioniert bei der Entsorgung von Hausabfällen offenbar nicht richtig. Immer weniger Anbieter teilen sich den Markt.
Weil der Staat die Müll-Abholung nicht organisieren kann, soll das laut Bremer Senats-Beschluss weiterhin eine Privatfirma machen. Gutachter sahen das anders.