taz.de -- Kommentar Weißbuch der Bundeswehr: Unsere Fremdenlegion

EU-Ausländer in der Bundeswehr? Das ist nur ein weiterer zynischer Schritt der deutschen Dominanz über den Kontinent.
Bild: Werden die Kameraden bald aus anderen EU-Ländern zur Bundeswehr kommen?

Vielleicht muss man die Chuzpe bewundern, mit der die deutsche Bundesregierung auch im neunten Jahr der Eurokrise noch ihre nationale Interessenpolitik zulasten Südeuropas als Beitrag zur europäischen Einheit zu verkaufen sucht. Ein Anschauungsobjekt dafür liefert nun das Weißbuch der Bundeswehr, nach dem künftig auch Bürger anderer EU-Staaten für die deutsche Armee kämpfen sollen. Dies sei, so heißt es darin, „ein starkes Signal für die europäische Perspektive“. Diese Sichtweise hat Deutschland, wie so oft in Europa, ganz exklusiv.

Vor einem Jahr zwang die Bundesregierung Griechenland zur Kapitulation vor der deutschen Austeritätspolitik. Eine ökonomische Perspektive für Griechenland gibt es seitdem nicht mehr. Stattdessen bietet Deutschland zynische Trostpflaster mit Eigennutz: Vor zwei Wochen kam Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorbei und versprach Athen ein paar Solaranlagen deutscher Firmen, für die es hierzulande keinen Abnehmer mehr gibt.

Gestern leiteten die EU-Finanzminister unter starkem Druck vonseiten Wolfgang Schäubles ein Defizitverfahren gegen Spanien und Portugal ein. Beide Staaten hatten sich nicht an das deutsche Dogma, in Krisenzeiten die Staatsausgaben einzuschränken, gehalten. Ihre Wirtschaft kam zaghaft wieder in Schwung. Wird die Konjunktur wieder abgewürgt, dürfte der Exodus junger Spanier und Portugiesen zur Freude deutscher Unternehmen nach Deutschland wieder zunehmen.

Zukünftig, so die Botschaft aus dem Verteidigungsministerium, können sie aber auch für die Bundeswehr kämpfen. Die Freiheit Deutschlands würde zukünftig von Arbeitslosen aus Madrid und Athen am Hindukusch verteidigt werden. Die letzte Hoffnung von Opfern der deutschen Politik in der Eurokrise heißt: riskieren, für Deutschland zu sterben. Das mag aus Sicht der Bundeswehr, die Nachwuchsprobleme hat, verständlich sein. Aber es ist einmal mehr deutscher Zynismus.

In Deutschland aber glauben sie ihre PR-Sätze, mit denen das Verteidigungsministerium den deutschen Eigennutz als „europäische Perspektive“ verkauft, wirklich. Schäubles harte Haltung in der Defizitfrage und das Weißbuch zeigen: Es ist kein Ende der deutschen Politik, die Europa schadet, in Sicht.

12 Jul 2016

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Martin Reeh

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