taz.de -- Sicherheit von Radlern in Berlin: Umweltschützer geben Radschläge

Mit einem Kompromissvorschlag mischt sich der BUND in die radpolitische Debatte ein – und erhält von allen Seiten zumindest verhaltene Zustimmung.
Bild: Sieht schön aus, ist aber manchmal ganz schön gefährlich: Radeln in Berlin

Der Umweltverband Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) versucht, im Streit über die richtige Radpolitik zu vermitteln. Am Dienstag stellte sein Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser einen Kompromissvorschlag zwischen den Positionen der Initiative Volksentscheid Fahrrad und der Radwegstrategie von Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) vor. Heuser forderte Geisel und die Fraktionen im Abgeordnetenhaus dazu auf, den Rückwind der Unterschriftensammlung der Initiative zu nutzen, um „eine nachhaltige Mobilitätspolitik“ unter Einschluss des Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) und der Fußgänger umzusetzen. Die Initiative hatte in der ersten Phase des Volksbegehrens 105.000 Unterschriften innerhalb von vier Wochen gesammelt – nötig waren lediglich 20.000. Derzeit prüfen die Bezirke, welche gültig sind.

Als Zeichen guten Willens verlangte Heuser rasche und klare Zusagen für mehr Geld und Personal. Geisels Etat für den Radverkehr solle um 25 Millionen Euro auf dann 40 Millionen Euro pro Jahr mehr als verdoppelt werden; zehn zusätzliche Mitarbeiter auf Landesebene und weitere je zwei pro Bezirk sollen sich künftig darum kümmern, dass das zusätzliche Geld auch genutzt werden könne. „Ein klares Signal der Politik für höhere Budgets vereinfacht die Diskussion darüber, welche konkreten Maßnahmen für den Radverkehr vordringlich realisiert werden können“, sagte Heuser.

Kritik an Initiative

Der BUND-Chef betonte zwar, mit dem Vorschlag stehe sein Verband „zwischen den Fronten“. Doch die Kritik am Gesetzentwurf der Initiative, der breite Radwege an jeder Hauptstraße, ein Netz aus 350 Kilometern sicherer Fahrradstraßen und 100 Kilometer Radschnellwege innerhalb von acht Jahren fordert, fiel deutlich aus. So hätten einige Forderungen eher Kampagnencharakter und wären nicht umsetzbar – etwa die Radschnellwege, die vor allem als Zubringer im Umland Sinn ergeben würden.

Richtig sei indes, dass die Initiative Verbindlichkeit einfordere. Denn die Radverkehrsstrategie des Senats, so Heuser, sei konzeptionell besser, aber zu unverbindlich. Die Folge: „Der Senat tut zu wenig.“ Und was er mache, werde oft „suboptimal“ umgesetzt.

Dies liege jedoch nicht an den – hoch motivierten – Mitarbeitern der Verkehrsverwaltung, sondern an der obersten Führungsebene und der oft mangelhaften Mitarbeit der Bezirke. Um dies zu ändern, müsse die Diskussion vorangetrieben werden. Konkrete Vermittlungsbemühungen schloss Heuser aber erst mal aus: Das sei nicht Aufgabe seines Verbands.

Die Initiative reagierte verhalten positiv auf den Vorschlag. „Wir begrüßen, dass ein Konzept vorgelegt wurde“, sagte Mitinitiator Heinrich Strößenreuther. Allerdings sei dies auch geschehen, weil man beim BUND offenbar erkannt habe, welche Relevanz das Thema habe. Er betonte, dass sich seine Initiative nicht mit Absichtserklärungen zufrieden geben werde.

Laut Verkehrsverwaltung gehe der Vorschlag „in die richtige Richtung“, so Martin Pallgen, Sprecher von Senator Geisel. Man teile den Ansatz, ÖPNV, Fuß- und Radverkehr integriert zu betrachten. Auch der Finanzvorschlag würde passen: „40 Millionen Euro sind eine gute Grundlage, um die Maßnahmen in einer realistischen Zeit auf die Straße zu bringen.“ Über das Geld müsse aber das Abgeordnetenhaus entscheiden.

Auch die Grünen begrüßten den Vorstoß des BUND und dessen Erkenntnis, dass die Radwegstrategie des Senats nicht ausreichend sei. „Es ist gut, dass der Senat von allen Seiten jetzt Druck bekommt“, so der verkehrspolitische Sprecher Stefan Gelbhaar.

28 Jun 2016

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Bert Schulz

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