taz.de -- Regierungskrise in Großbritannien: Stress bei Tories und Labour

Die Konservativen wollen bis zum 2. September einen neuen Premier finden. Unterdessen zerlegt sich die oppositionelle Labour-Partei selbst.
Bild: Nachmieter gesucht ab 2. September: Downing Street, Nr. 10

Dublin taz | Nun soll es doch etwas schneller gehen, als zunächst angekündigt worden war: Nicht erst im Oktober, sondern schon bis zum 2. September soll ein Nachfolger für den britischen Premier David Cameron gefunden sein. Das einflussreiche „1922 Komitee“ der Tories erklärte nach einer Krisensitzung am Montag in London, die Wahl werde unter den gleichen Regeln ablaufen wie 2005.

Das bedeutet, dass die Abgeordneten zwei Kandidaten aussuchen, die sich dann dem Votum der Basis stellen. Am Mittwoch und Donnerstag werden demnach die Kandidaten nominiert: Unklar ist noch, ob es sich dabei um den Exbürgermeister von London, Boris Johnson, und um Innenministerin Theresa May handelt, die derzeit als potenzielle Nachfolger Camerons gehandelt werden. Der Regierungschef wollte ursprünglich bis zum jährlichen Parteitag der Tories im Oktober im Amt bleiben.

Offen ist auch noch, was aus der oppositionellen Labour Party wird, bei der es jetzt drunter und drüber geht. Mehr als ein Dutzend Mitglieder des Schattenkabinetts sind inzwischen zurückgetreten. Viele Labour-Abgeordnete geben Parteichef Jeremy Corbyn die Mitschuld am Brexit-Ergebnis, weil er nur eine halbherzige Kampagne für den Verbleib in der EU geführt habe.

Bevor er Labour-Chef wurde, war Corbyn einer der schärfsten EU-Kritiker. Um des partei-internen Friedens willen musste er vor dem Referendum für die verhasste Organisation werben, wobei er seinen Widerwillen aber kaum kaschierte. So lag in zahlreichen Labour-Hochburgen Brexit vorne.

Misstrauensantrag gegen Corbyn

Die beiden Abgeordneten Margaret Hodge und Anne Coffey haben am Montag einen Misstrauensantrag gegen Corbyn gestellt. Darüber wird wahrscheinlich bereits am Dienstag abgestimmt.

Corbyn will nicht zurücktreten. Am Montag sagte er, dass er im Falle seines Sturzes bei der Wahl zum Labour-Chef erneut antreten werde. Möglicherweise muss er dann jedoch erneut von 36 Labour-Abgeordneten nominiert werden, das geht aus den Statuten aber nicht klar hervor. Voriges Jahr hat er erst wenige Minuten vor Meldeschluss genug Stimmen zusammenbekommen.

Damals ging er als großer Außenseiter ins Rennen. Die Parteibasis wählte ihn im September mit überwältigender Mehrheit. Viele, die ihn damals nominiert hatten, bereuen das mittlerweile. Andererseits haben mehr als 200.000 Menschen am Montag eine Petition zur Unterstützung von Corbyn unterzeichnet.

27 Jun 2016

AUTOREN

Ralf Sotscheck

TAGS

Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
David Cameron
Jeremy Corbyn
Tories
Labour Party
Theresa May
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit

ARTIKEL ZUM THEMA

Nachfolge von David Cameron nach Brexit: May tritt an, Johnson nicht

Die britische Innenministerin Theresa May und Justizminister Michael Gove wollen Regierungschef werden. Brexit-Befürworter Boris Johnson tritt nicht an.

Karissa Singh about racism after Brexit: „You will never be true British“

Karrisa Singh says Brexit Referendum bolsters racists. The Human Rights activist created #PostRefRacism. Since then dozens of people have reported racist abuse.

EU-Gipfel zum Brexit: Cameron unter Druck

Die EU-Chefs haben den britischen Premier gewarnt, dass das Votum unumkehrbar sei. Sie wiesen seine Bitten nach günstigen Konditionen für sein Land zurück.

Labour-Streit nach Brexit: Der Kampf um Corbyns Kopf

Die Basis steht hinter Jeremy Corbyn. Anders in seiner Fraktion: Dort hat der Labour-Chef am Dienstag die Rechnung für den Brexit bekommen.

Angela Merkels Haltung zum Brexit: Fahrt auf Sicht

In der Frage des Brexits handelt die Kanzlerin wie immer: Sie wartet ab und taktiert. Andere EU-Mitglieder haben es eiliger, und auch die SPD macht Druck.

Brexit und Klimapolitik: Goodbye, Green Britain

Der Brexit schwächt die Öko-Achse in der EU, die eine knappe Mehrheit hatte. Britische Umweltschützer machen sich auf harte Zeiten gefasst.

Vor dem EU-Gipfel in Brüssel: Alle wollen Europa retten

Der Brexit als Chance: Gegen das Sparprogramm und eine wachsende Bürokratie soll sich die EU neu erfinden.

Vor dem EU-Gipfel in Brüssel: Weiche Hand für britischen Premier

Die EU-Regierungschefs wollen Cameron beim Gipfel nicht zur Austrittserklärung zwingen. Die Kanzlerin hat sich mit ihrer abwartenden Haltung offenbar durchgesetzt.

Streit über das Brexit-Verfahren: Ein weiter Weg

Brüssel möchte die Briten möglichst rasch aus der EU verabschieden. Berlin bremst. Selbst über den Austrittsantrag gibt es Streit.

Reaktionen auf Brexit-Votum: Tage der Reue

Britische EU-Befürworter wollen ihre Niederlage mit Hilfe einer Petition rückgängig machen. Doch das ist juristischer Unfug.