taz.de -- Polizeieinsatz in der Rigaer Straße: Vorgeschmack auf die neue Kiezkultur

Die Polizei mischt mal wieder den Friedrichshainer Nordkiez auf. Mit einem Großaufgebot „unterstützt“ sie Räumungsarbeiten eines Hausbesitzers.
Bild: Bisher kein Ende in Aussicht: Turnübungen der Berliner Polizei in der Rigaer Straße

„Das ist, weil die Linksradikalen immer Ärger machen“, erklärt ein betagter Herr am Donnerstagmorgen seiner Begleiterin auf dem Weg von der Rigaer Straße zum Frankfurter Tor. Vorbei an dem klapprigen Gitter, das die Rigaer in zwei Teile schneidet und die Menschen ganzer Straßenzüge zu Umwegen zwingt. Hinter der Absperrung herrscht morgendlicher Friede. Eine Frau mit hochpreisigem Kinderwagen bequatscht einen Polizisten, ob sie nicht doch hier durch, auf die andere Seite und so.

Der Polizist bleibt hart, die Frau schiebt trotzig ab, „eine Zumutung“ auf den Lippen. „Das kann mehrere Wochen dauern“, wirft ein anderer in Uniform lapidar in die Anwohnerschaft. Er meint wohl die Bauarbeiten, mit denen der Eigentümer gerade die Spuren eines Vierteljahrhunderts Subkultur aus der Rigaer 94 zu meißeln versucht.

Wochenlang also. Am Mittwochabend gab es schon mal einen Vorgeschmack auf die neue Kiezkultur. Rund um den Fußballabend holt die Polizei die Hunde raus, die Hunde rein, empörtes Gebell, parkt die Wannen in benachbarte Hauseinfahrten. Und wieder raus, zehn Meter vor, Aufstellung hinter der Absperrung. Und wieder zurück und wieder von vorn. Davor oder danach oder dazu gab es Sprechchöre.

Am Ende verlief alles friedlich, heißt es tags darauf. So war das auch schon im Januar, als sich das SEK übers Dach ins Hausprojekt flexte. Damals, so der offizielle Duktus, sollte das Haus „begangen“ werden, um gefährliche Gegenstände sicherzustellen. 550 Beamte sicherten den Einsatz. Umwege musste man als AnwohnerIn auch masochistgehen.

„Gefahrengebiet Nordkiez“

Diesmal also 300 Beamte und die Bauarbeiten. Die Lafone Investment Limited mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln hat nach eigenem Bekunden plötzlich das dringende Bedürfnis, Flüchtlinge in den Teilen des Hauses unterzubringen, in denen bislang unter anderem die Kneipe und Begegnungsstätte Kadterschmiede die Szene bespielte. Es denke sich bitte jeder selbst seinen Teil dazu.

„Die haben doch einen Knall“, sagt die Frau drei Häuser weiter. Und das ist noch eine der harmlosen Bekundungen, die dieser Tage durch das vom Innensenator ausgerufene Gefahrengebiet hallen. Diverse Wortmeldungen ansonsten friedlich wirkender Passanten sind Paradebeispiele für Beamtenbeleidigung. „Das ist, weil die Polizei immer Ärger macht“, möchte man dem eingangs erwähnten älteren Herrn hinterherrufen. Ach, da hat es schon eine getan. Immerhin: Auf den Kiez ist Verlass.

23 Jun 2016

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Manuela Heim

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