taz.de -- Hamburger Sozialverband in der Kritik: „Millionengewinn auf dem Rücken der Mieter“

Eine Tochterfirma des Sozialverbands SoVD will Mietwohnsiedlung für Eigentumswohnungen abreißen. Bisherige Mieter können dort nicht wieder einziehen.
Bild: Immobilienhai oder soziale Tochterfirma des Sozialverbands? Beim Hamburger Unternehmen Meravis kann man sich da nicht so sicher sein

HAMBURG taz | Eine Mietwohnsiedlung in Hamburg-Langenhorn soll im kommenden Jahr abgerissen werden. An selber Stelle will der Eigentümer neue Wohnungen bauen – mehr als die Hälfte davon allerdings als Eigentumswohnungen. Die bisherigen MieterInnen werden sich diese nicht leisten können. Sie sind empört, dass sich ihr Vermieter, die Immobilienfirma Meravis, unsozial verhält – denn sie ist ein Tochterunternehmen des Sozialverbands Deutschland (SoVD).

Laut Meravis soll es neben den Eigentumswohnungen auch Wohnraum für Personen mit mittleren bis kleineren Einkommen geben. „Die sind für uns allerdings viel zu klein“, sagt Michael Tuttlies, der mit seiner Frau seit über 30 Jahren in der Wohnsiedlung wohnt. Statt der bisher rund 60 Quadratmeter müssten sie künftig auf ein Drittel davon verzichten. Tuttlies ist deshalb sauer auf Hamburgs SoVD-Vorsitzenden Klaus Wicher. Er fordere regelmäßig guten und bezahlbaren Wohnraum, aber „seine Meravis handelt doch genau entgegengesetzt“, sagt Tuttlies.

Der Hamburger SoVD-Vorsitzende Wicher sitzt nämlich auch im Aufsichtsrat der Meravis. Die Immobilienfirma ist seit ihrer Gründung ein Tochterunternehmen des Sozialverbands. Es versteht sich als sozialorientiertes Unternehmen. „Die Meravis handelt nicht unsozial“, sagt Wicher. Ein Teil der neuen Wohnfläche werde als sozialer Wohnbau geplant. Gleichwohl könne er verstehen, dass manche MieterInnen nicht ausziehen wollen. Ein Neubau sei aber unumgänglich, denn die Sanierungskosten seien viel zu hoch. Er sitze „in dieser Angelegenheit zwischen den Stühlen“, sagt er.

Tuttlies hatte Wicher in einem Schreiben gefragt, wie der soziale Anspruch des SoVD und die Pläne der Meravis zusammenpasse. Er forderte von Wicher, dass er Einfluss auf die Entscheidungen der Meravis nehmen solle. Wicher habe nicht geantwortet. Gegenüber der taz sagt der Hamburger SoVD-Vorsitzende, dass er sich als Mitglied des Aufsichtsrats nicht in das Tagesgeschäft der Meravis einmischen könne. „Sehr unglücklich“ sei es, dass der Eindruck entstehe, der SoVD würde zwar soziale Forderungen aufstellen, im eigenen Haus aber nicht danach handeln.

Tuttlies will es nämlich nicht als soziales Handeln der Meravis verstehen, dass nur ein Teil des Neubaus für mittlere bis kleinere Einkommen geplant sei. Bisher waren alle 44 Wohnungen zur Miete bewohnbar. Von den künftig 81 Wohneinheiten sind es nur noch 40 Prozent. „Die machen halt keinen Profit mit uns“, sagt er. Hätte Meravis die Wohnsiedlung in den vergangenen Jahren nicht verkommen lassen, wäre der Abriss nicht notwendig gewesen, meint er. Stattdessen, so Tuttlies, „will die Meravis auf dem Rücken der alten Mieter einen Millionengewinn einfahren“.

Wegen der hohen Anzahl von Eigentumswohnungen kritisiert auch Rolf Bosse vom Hamburger Mieterverein die SoVD-Tochterfirma. Denn Meravis ist Partner im „Hamburger Bündnis für Wohnen“. Das Bündnis will das Angebot an Wohnraum erhöhen. „Bei Neubauten ist vorgesehen, dass höchstens ein Drittel davon Eigentumswohnungen werden“, sagt Bosse. Damit erfülle die geplante Wohnsiedlung nicht die Kriterien. „Es wird am Bedarf vorbei gebaut.“

Eine Sanierung oder ein Neubau sei zwar sinnvoll; ebenso die Erhöhung der Wohnungszahl angesichts des Drucks auf dem Wohnungsmarkt, so Bosse. Jedoch gehe die Meravis nicht auf die Wünsche der bisherigen MieterInnen ein. „Meravis muss eine vernünftige Wohnperspektive bieten“, sagt er. Das bedeute eine höhere Anzahl an Mietwohnungen mit einer angemessen Wohnungsgröße. „Bei anderen Immobilienfirmen funktioniert das auch.“

Stattdessen setze Meravis die Mieter, die gegen die Kündigung protestieren, unter Druck. Ein Schreiben des Meravis-Anwalts habe ihnen unterstellt, durch den Protest eine möglichst hohe Entschädigung zu bekommen. Sie sollen „schnell und billig rausgeworfen werden“, sagt Bosse. „Für diesen Umgang haben wir kein Verständnis.“

19 Jun 2016

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André Zuschlag

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