taz.de -- Das war die Woche II: Eitel in die Katastrophe

Der Abschlussbericht des BER-Ausschusses dokumentiert Abgründe von Wirklichkeitsverlust und Selbstüberschätzung.
Bild: So schnell wächst hoffentlich kein Gras über die Gründe für das BER-Desaster

Nach außen funktioniert alles, so wird es über die offiziellen Kanäle verbreitet. Menschen, die ein bisschen Einblick haben, sagen: Das wird nichts. Man schenkt ihnen keinen Glauben, das Projekt ist zu groß und bedeutend, um einfach vor die Wand zu fahren. Aber genau das geschieht hinter den Kulissen: Das Chaos wächst, die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut, aber man spricht nicht offen darüber, man fürchtet den Gesichtsverlust, im Grunde sind ja auch die anderen schuld. Dann knallt es.

Ja, Sie haben schon richtig geraten, das ist die desaströse Entwicklung auf der BER-Baustelle, die uns seit der geplatzten Flughafeneröffnung vor vier Jahren nicht in Ruhe lässt und die der parlamentarische Untersuchungsausschuss in seinem Abschlussbericht aufzudröseln versucht. Seit Mittwoch liegt das mehr als tausendseitige Konvolut vor.

Fast genauso gut würde die Schilderung auf die Endzeit der DDR passen. Damals fuhren die Verantwortlichen ein Land gegen die Wand, und viele von ihnen merkten es vermutlich gar nicht. Sei es, weil sie ihrer eigenen Erfolgspropaganda glaubten, sei es, weil sich keiner traute, den Murks in seinem Zuständigkeitsbereich offenzulegen. Und am Ende waren wohl die meisten davon überzeugt, dass andere (die Genossen im Politbüro, der Schlendrian der Werktätigen, der Klassenfeind usw.) für das Scheitern verantwortlich waren.

Der Vergleich mag gewagt sein, aber wenn man die Menschenrechtsverletzungen in der DDR außen vor lässt, funktioniert er. „Kollektiven Wirklichkeitsverlust“ attestiert der Ausschussbericht der BER-Nomenklatura, besser lässt es sich kaum ausdrücken. Was schieflief, wurde verschleiert, jeder hoffte, die anderen würden es schon richten.

Mal eben wuppen

Der Begriff „Hybris“ findet sich zwar nicht im Bericht, aber gerade aus den von parteipolitischer Rücksichtnahme unbefleckten Sondervoten der Opposition geht hervor, wie viel eitle Selbstüberschätzung ursächlich für den Weg in die Katastrophe war: vom Glauben, man werde ein technisches Großexperiment (unterirdische Entrauchung) mal eben wuppen können, über die Denke von Exgeschäftsführer Rainer Schwarz, er könne die Terminalplanung nach dem Lustprinzip über den Haufen werfen, bis zur Überzeugung eines Klaus Wowereit, er benötige keine Berater mit technischem Fachwissen, um als Aufsichtsratschef das Ganze sicher zu Ende zu bringen.

Hoffentlich lernt jemand etwas aus den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses. Schließlich war die DDR dann mal weg, der BER aber wird uns noch lange beschäftigen.

18 Jun 2016

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Claudius Prößer

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