taz.de -- Döpfner und die Böhmermann-Affäre: Es geht immer noch dümmer
Mathias Döpfners Unterstützung für Böhmermann war ein einziger Schrei: Verklagt mich doch! Und Erdogan sprang auch über dieses Stöckchen.
Man muss in diesen Zeiten ja froh sein um jeden Job in der Medienbranche, der sicher ist. In diesem Sinne: Glückwunsch an die Medienanwälte. Die Herren haben aktuell schwer zu tun. Vorneweg: Christian Schertz, der Jan Böhmermann im Kampf gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan unterstützt, und Ralf Höcker, der wiederum im Namen Erdoğans einstweilige Verfügungen fordert.
Die jüngste richtete sich gegen Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE. Döpfner hatte vor einem Monat in seiner Welt am Sonntag „Solidarität mit Jan Böhmermann“ gefordert und dahinter noch ein Ausrufezeichen gesetzt. Er hat darin Ausdrücke benutzt wie „Captatio benevolentiae“ oder „ex negativo“ und damit bewiesen, dass er Teil des Bildungsbürgertums ist.
Und er hat darauf hingewiesen, dass man hierzulande wohl die katholische Kirche oder die Bild-Zeitung, aber nicht den türkischen Präsidenten beleidigen dürfe. Er schloss den Text mit: „P. S. Ich möchte mich, Herr Böhmermann, vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen.“
Der ganze Text war ein einziger Schrei: Verklagt mich doch! Und Erdoğan sprang über dieses Stöckchen. Rechtsanwalt Höcker sollte im Auftrag des Präsidenten vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen Döpfner erwirken. Dieser Antrag wurde am Dienstag abgewiesen, aber Höcker hatte zuvor angekündigt, dass man dann vor das Oberlandesgericht ziehen würde. Warum? Weil natürlich auch jeder hafte, der sich die Äußerungen Böhmermanns zu eigen mache, hatte Höcker dem Medium Magazin gesagt. Und ein Döpfner könne sich auch nicht auf die Kunstfreiheit berufen. „So dumm sollte man eigentlich nicht sein“, sagte er.
Höcker hat schon zuvor eine einstweilige Verfügung erwirkt, gegen den Regisseur Uwe Boll. Der hatte Erdoğan beleidigt und sich auf die Kunstfreiheit berufen. Tja. Ist nicht, entschied das Landgericht Köln. Und Höcker stellte diese Nachricht auf seine Website. Dazu ein Zitat von ihm selbst zu Böhmermanns Gedicht und dessen Wirkung „auf Nachahmer und Trittbrettfahrer“: „Es ist wie bei einer Massenvergewaltigung: Wenn einer anfängt, kriechen alle aus den Löchern und machen mit. Vor allem, wenn es das Opfer angeblich nicht besser verdient hat.“
Ja, das hat Höcker tatsächlich gesagt. Und man denkt sich: So dumm sollte man eigentlich nicht sein.
10 May 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das Hamburger Landgericht hat dem Satiriker bereits untersagt, große Teile seines Gedichts „Schmähkritik“ öffentlich zu wiederholen. Jetzt gibt es neue Forderungen.
Wegen Mathias Döpfners Unterstützung für den Satiriker Jan Böhmermann zog der türkische Präsident vor Gericht. In Köln scheiterte er in letzter Instanz.
Das Landgericht Hamburg erlässt eine einstweilige Verfügung gegen Jan Böhmermann. Er darf Teile des Gedichts über Erdoğan nicht öffentlich wiederholen.
Der türkische Präsident Erdogan geht juristisch auch gegen Mathias Döpfner vor. Der Springer-Vorstandschef hatte Partei für Jan Böhmermann ergriffen.
In einem angeblichen Interview mit der Zeitschrift „Titanic“ zu seinem Fake-Interview mit Jan Böhmermann beschimpft Kai Diekmann seine Vorgesetzten übel.
Böhmermann wird für sein Gedicht gegen Erdoğan heftig gelobt - selbst von Springer-Chef Döpfner. Die Türkei aber will, dass die deutsche Justiz tätig wird.