taz.de -- NSU-Untersuchung in Brandenburg: Ausschuss zur Amtshilfe

Nun gibt es auch in Brandenburg einen NSU-Untersuchungsausschuss. Ein AfD-Mann wird mit dabei sein.
Bild: Bergeweise Akten: Der NSU-Untersuchungsausschuss in Brandenburg nimmt die Arbeit auf

Potsdam taz | Es ist NSU-Untersuchungsausschuss Nummer acht: Am Freitagvormittag [1][beschloss auch der Brandenburger Landtag] einstimmig, die Affäre um die rechtsterroristische Gruppe aufzuklären. Vorsitzender des Ausschusses soll der frühere SPD-Bildungsminister Holger Rupprecht werden.

Der CDU-Parlamentsgeschäftsführer Jan Redmann sagte, „wir sind es den Opern schuldig, dass wir vollständige Aufklärung leisten“. Bis heute sei unklar, wie weit das Unterstützernetzwerk der Terrorgruppe reichte. Der künftige SPD-Obmann im Ausschuss, Björn Lüttmann, begründete die Einsetzung auch mit den jüngsten Anschlägen auf Asylunterkünfte und einem erstarkenden Rechtsextremismus: Dies ähnele den Neunziger Jahren, als sich der NSU radikalisierte. „Wir müssen daraus die Lehren für die heutige Zeit ziehen.“

Die SPD hatte sich in Brandenburg lange gegen einen NSU-Ausschuss gesperrt. Dann schwenkte sie ein, nachdem CDU und Grüne diesen forderten und auch alleine hätten einberufen können. Der nun verabschiedete Einsetzungsbeschluss des Ausschusses formuliert 34 offene Fragen zum NSU-Komplex.

Eine NSU-Tat gab es in Brandenburg nicht, aber einen der zwielichtigsten V-Leute der Affäre: Carsten „Piatto“ S. Der wegen versuchten Totschlags verurteilte Neonazi nannte dem Verfassungsschutz früh Kontaktleute und Bewaffnungspläne des NSU. Die Hinweise aber versandeten.

Die Grünen-Obfrau Ursula Nonnemacher nannte „Piatto“ am Freitag den wohl „größten Sündenfall des Brandenburger Verfassungsschutzes“. Der Ausschuss müsse klären, ob die hiesigen Sicherheitsbehörden „Amtshilfe beim Aufbau rechtsextremer Strukturen geleistet“ hätten.

Im Ausschuss mit dabei sein wird auch der AfD-Abgeordnete Andreas Galau. Der war vor etlichen Jahren Mitglied der Republikaner, später dann der FDP. Bei der Wahl in die Parlamentarische Kontrollkommission des Verfassungsschutzes war Galau zuletzt vier Mal durchgefallen. Diesmal enthielten sich die Abgeordneten der anderen Fraktionen – allerdings nur, um die Einsetzung des NSU-Ausschusses nicht zu blockieren, wie mehrere Redner klarstellten. Die erste Sitzung soll noch vor der parlamentarischen Sommerpause stattfinden.

NSU-Untersuchungsausschüsse gibt oder gab es bereits in NRW, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. In Thüringen, Sachsen und im Bundestag läuft derzeit bereits eine zweite Auflage des Aufklärungsgremiums.

29 Apr 2016

LINKS

[1] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w6/drs/ab_3900/3993.pdf

AUTOREN

Konrad Litschko

TAGS

Schwerpunkt Rechter Terror
Brandenburg
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Schwerpunkt Rechter Terror
Schwerpunkt AfD
Aktenvernichtung
Rechtsextremismus
Petra Pau
Rechtsrock
Schwerpunkt Rechter Terror
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)

ARTIKEL ZUM THEMA

NSU-Prozessrichter Manfred Götzl: Auf der anderen Seite

Im NSU-Prozess sprach er ein historisches Urteil, dann wurde es ruhig um Götzl. Nun trat er im Brandenburger NSU-Untersuchungsausschuss auf.

Kolumne German Angst: Linke Quote für Abschiebungen!

Vom Schreibtisch in Brandenburg sieht die Welt eigentlich ganz friedlich aus. Wozu also braucht es überhaupt noch Asylgesetze?

Brandenburger Verfassungsschutz: Akten zur NSU-Terrorserie vernichtet

Der Verfassungsschutz in Potsdam hat wohl Akten mit Hinweisen des V-Manns „Piatto“ geschreddert. Die Begründung dafür trifft auf Kritik aus dem Bundestag.

Prozesse gegen Rechtsextreme: Offenbar gut informiert

Vom Reker-Attentäter bis zum Mammutprozess um den NSU: Gleich mehrfach beschäftigt rechter Terror derzeit die obersten Behörden des Landes.

Petra Pau über rechten Terror in Freital: „Wir haben ein größeres Problem“

Der Generalbundesanwalt sollte bei rechtem Terror schneller eingreifen, sagt Petra Pau. In Deutschland gebe es eine Situation wie Anfang der 90er-Jahre.

NSU-Untersuchungsausschuss in Hessen: Einblick in die rechte Szene

Zwei Ex-Mitglieder der hessischen Naziszene sagen aus. Vom NSU wollen sie nichts gewusst haben. Ihre Antworten werfen aber Fragen auf.

Der V-Mann und der NSU: Das Rätsel „Primus“

Der NSU-Ausschuss im Bundestag hält die Rolle des einstigen V-Manns, der Mundlos beschäftigt haben soll, für dubios. Nun sollen alle Akten her.

Potsdamer NSU-Sondersitzung: Die Umtriebe des V-Manns „Piatto“

Eine Sondersitzung im Landtag versucht, die Verstrickungen Brandenburgs in die NSU-Affäre zu entwirren. Und der Innenminister verspricht noch mehr Aufklärung.