taz.de -- Anti-TTIP-Bewegung: Hier spielt die Musik
Europäische Einigkeit bleibt oft Illusion, auch bei der Anti-TTIP-Bewegung. Vielerorts spielt das Abkommen in der Wahrnehmung keine Rolle.
Es geschieht nicht so oft, aber am Wochenende spielt die Musik in der Hauptstadt des Landes Niedersachsen. In Hannover gastiert der US-Präsident Obama. Die Hotelzimmer sind gebucht, Teile der Stadt geräumt und die Gullydeckel verschweißt. Am Samstag macht die Gegnerschaft des geplanten und in Hinterzimmern verhandelten TTIP-Abkommens zwischen der USA und der EU mobil.
Es hat sich besonders in Deutschland eine starke Bewegung gegen TTIP gebildet. Deren erster großer Sieg ist, dass über das EU-Abkommen mit den USA geredet, ja sogar gestritten wird. Schon erzählen Spin-Doktoren aus Brüssel und Berlin, aus dem Abkommen werde nichts, die Amis seien schuld. Die vorletzte Verhandlungsrunde startet am Montag, im Juli die letzte. Für die Unterhändler geht es jetzt nur noch darum, das vertrackte Abkommen möglichst sauber durchzubringen.
Aber auch die Gegnerschaft ist sich uneins – Osteuropa, das zeigen Umfragen, interessiert sich nur am Rande für TTIP: Gerade mal 3 Prozent der Polen interessieren sich intensiver für das geplante Handelsabkommen. Und das sieht in den anderen Ländern im Osten der EU nicht anders aus: Die bisherigen Handelsabkommen dieser Länder mit den USA sind zu schlecht, zu alt, zu renovierungsbedürftig. Also, so die Hoffnung, mit TTIP kann es nur besser werden. Außerdem sind die Oststaaten der EU eh an besseren Handelsmöglichkeiten, an steigenden In- und Export mit den USA interessiert.
In Spanien unterstützen linke Aktivisten und die starke linke Bewegung Podemos die Anti-TTIP-Bewegung. Natürlich mit den bekannten Argumenten: TTIP könnte teuer werden, die Schiedsgerichtsmöglichkeiten sind zu gefährlich, das ganze Abkommen ist geheimniskrämerisch, alles daran zu intransparent. Am Ende, so die begründete Befürchtung, profitiert allein die Industrie. Den Staat, den Steuerzahler könnte das teuer zu stehen kommen.
In Großbritannien fürchten die Menschen, dass ein großer Teil des Gesundheitssystems unwiderruflich privatisiert und der Standard dadurch noch weiter gesenkt werden könnte. Zwar gilt die Ausnahme, dass Unternehmen den Staat nicht verklagen können, wenn sie ihre Interessen bedroht sehen, aber viele Briten glauben, dass dieser Schutz ausgehebelt werden könnte.
Ungewöhnliche Allianzen bilden sich in Österreich. Attac und das Boulevardblatt Kronen Zeitung sehen sich schon lange in einem Boot, wenn es darum geht, vor Chlorhühnern und der Willkür der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu warnen. Jetzt haben auch Greenpeace, die Biobauern und die Handelskette SPAR zusammengefunden und eine gemeinsame Studie in Auftrag gegeben. Da geht es nicht nur um den in den USA gebräuchlichen Einsatz von Chemikalien und Wachstumshormonen, die Lebensmittel zwar nicht besser, aber billiger machen.
In Frankreich setzt man auch an oberster Stelle gern auf die Nationalkarte. Schon zweimal hat der französische Staatsminister für Außenhandel, Matthias Fekl, wegen der stockenden Tafta-Verhandlungen (TAFTA ist das Kürzel für das „Transatlantische Freihandelsabkommen“, engl. Trans-Atlantic Free Trade Agreement, aus dem das TTIP-Papier hervorgeht) mit einem Ultimatum gedroht: Wenn von der amerikanischen Seite nicht klare Signale für Zugeständnisse kämen, brauche man gar nicht erst mit der nächsten Verhandlungsrunde anzufangen. Die Kulturnation Frankreich befürchtet vor allen Dingen Einschnitte in der Kulturproduktion.
Also: Das Endspiel um TTIP beginnt. Am Samstag findet die Großdemonstration auf dem Hannoveraner Opernplatz statt. Denn: Für noch reibungsloseren Abverkäufe von Autos, Jeans oder Soja dürfen nicht Europas Grundwerte geschleift werden.
21 Apr 2016
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