taz.de -- Kommentar TTIP und Demos in Hannover: Hört die Signale

Die Schaffung einer gemeinsamen Wirtschaftszone von EU und USA ist eine charmante Idee. Doch so, wie TTIP geplant ist, ist es ein Desaster.
Bild: Obama kommt auf die Messe in Hannover. Proteste von TTIP-Gegnern sind angekündigt

Volksvertreter, hört die Signale: Jeder Dritte in Deutschland lehnt das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU ab. Nur 19 Prozent sind für den Wirtschaftspakt, wie eine Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung jetzt ermittelt hat.

Das Ergebnis gibt jenen Rückenwind, die für diesen Samstag zur Stopp-TTIP-Demonstration in Hannover aufrufen. Einen Tag, bevor US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel dort die Industriemesse eröffnen, werden die Freihandelskritiker gegen den geplanten Pakt protestieren. Tatsächlich ist das Abkommen und vor allem die Art seines Zustandekommens ein einziges Desaster. Wird es wie geplant realisiert, hat es Folgen für alle wichtigen Lebensbereiche von 800 Millionen Verbrauchern – welche genau, ist streng geheim. Das ist eines der großen Probleme.

Das klassische Freihandelsargument, der Abbau von Zöllen schiebe den Handel an, zieht nicht. Importeure aus der EU zahlen in den USA nur rund 3,6 Milliarden Euro im Jahr, US-Unternehmen sogar nur 2 Milliarden in Europa – ein Bruchteil des Handelsvolumens. Der Wegfall dieser Ausgaben soll große Impulse für die beiden riesigen Wirtschaftsräume geben? Kaum zu glauben.

Kommt TTIP nicht, wird das den bestens laufenden transatlantischen Handel nicht beeinträchtigen. Wird das Abkommen durchgesetzt, ist der Kollateralschaden enorm. Millionen Bürger fühlten sich brüskiert. Die meisten Menschen, die gegen TTIP sind, wissen viel über dieses Thema. Sie sind nicht so uninformiert, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel und andere Politiker glauben machen wollen.

Die Gegner fürchten, dass Unternehmen ihre Interessen noch besser durchsetzen könnten und sie selbst dagegen mit schlechteren Standards im Arbeitsleben, bei Lebensmitteln oder im Umweltschutz rechnen müssen.

Dabei ist die Schaffung einer gemeinsamen Wirtschaftszone von EU und den USA eine charmante Idee. Gemeinsam fortschrittliche Normen zu setzen, etwa zur Bändigung der Finanzmärkte, zu sozialen Rechten oder zu ökologische Standards – das wäre schön. Aber das, was jetzt geplant ist, ist das Gegenteil davon.

Wenn sich Bundeskanzlerin Merkel, US-Präsident Obama und andere Regierungschefs am Rande der Hannover Messe treffen, sollten sie gemeinsam die Gelegenheit nutzen – und einen Schlussstrich ziehen unter diese unerfreuliche Kapitel der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen.

21 Apr 2016

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Anja Krüger

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