taz.de -- Neues Staatsoberhaupt von Birma: Der Präsident der Lady
Htin Kyaw ist Birmas erster ziviler Präsident seit 54 Jahren. Manche bezeichnen ihn als Marionette von Aung San Suu Kyi, doch er genießt Ansehen.
NAYPYIDAW taz | Weil Birmas Nationale Liga für Demokratie (NLD) nach ihrem Wahlsieg im November ein Geheimnis daraus machte, wer künftiger Staatspräsident würde, kursierten viele Namen in den Medien und sozialen Netzwerken. Htin Kyaws Name war nicht dabei. Doch am Mittwoch wurde der 69-Jährige als Birmas erster ziviler Präsident seit 54 Jahren vereidigt.
Dabei war er auch in seiner Heimat bisher unbekannt. Doch die Nationalheldin und NLD-Parteichefin Aung San Suu Kyi durfte selbst nicht Staatsoberhaupt werden, weil ihre Söhne britische Staatsbürger sind. Vor den Wahlen hatte sie deshalb verkündet, sie werde „über dem Präsidenten“ stehen. Kritiker bezeichnen Htin Kyaw deshalb als Marionette. Das liegt aber nicht an seinem Ruf als Person.
Denn die Nominierung des hochgewachsenen Mannes wurde in Birma positiv aufgenommen. Der Historiker und Autor Thant Myint-U etwa bezeichnete ihn als „hervorragende Wahl“ und „feinen Kerl“.
Htin Kyaw ist Ökonom und studierte an der Universität von London Informatik. Ab Mitte der 70er Jahre arbeitete er in Birmas Industrieministerium. Ab 1992 widmete er sich Aung San Suu Kyis Wohltätigkeitsstiftung.
Aung San Suu Kyis engster Vertrauter
In einem Land, in dem der Familienhintergrund eine große Rolle spielt, hilft es Htin Kyaw, dass sein Vater ein anerkannter Dichter war. Er selbst ist mit Su Su Lwin verheiratet, die als NLD-Abgeordnete den Ausschuss für internationale Angelegenheiten führt. Htin Kyaw gilt als enger Vertrauter Suu Kyis. Während ihres Hausarrests war er einer der wenigen, der Zugang zu ihr hatte.
Weil so wenig über ihn bekannt war, veröffentlichten Medien mangels einer offiziellen Biografie bei seiner Nominierung reihenweise fehlerhafte Informationen über ihn.
Dass internationale Medien ihn schlicht einen früheren Fahrer von Aung San Suu Kyi nannten, führte in sozialen Netzwerken zu einem Sturm der Entrüstung.
Nach seiner Vereidigung erklärte Htin Kyaw, er sei verpflichtet, eine Verfassung zu schaffen, die demokratischen Normen entspreche. Somit sieht er seine Aufgabe darin, Aung San Suu Kyi zur Präsidentschaft zu verhelfen.
31 Mar 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Eine buddhistische Mönchsgruppe, die gegen Muslime hetzt, wird erstmals vom Klerus zurückgewiesen. Auch ein Minister gibt ihr Kontra.
Nach dem politischen Wechsel spricht Gregory Kehailia von einer Bilderbuch-Transition. Doch kein Übergang verläuft ganz ohne Probleme.
Die Regierung von Aung San Suu Kyi verbietet die Aufführung des Films „Dämmerung über Burma“. Er zeigt die Brutalität des Militärs.
Zu Tausenden fliehen muslimische Rohingya aus Myanmar. Ein 12-Jähriger, dem die Flucht übers Meer nach Indonesien geglückt ist, erzählt seine Geschichte.
Nach 54 Jahren hat jetzt erstmals wieder eine zivile Regierung die Macht übernommen. Die Erwartungen sind hoch, die Probleme groß.
Nach mehr als 50 Jahren Militärregime bekommt Birma eine demokratisch legitimierte Regierung. Die Rolle der Presse bleibt dabei unbeachtet.
Die Wahlsiegerin Aung San Suu Kyi nominiert mit Htin Kyaw einen Vertrauten für das Präsidentenamt. Ihr bleibt es weiter verwehrt.
Das erste frei gewählte Parlament nach der Herrschaft der Militärs hat sich konstituiert. Zuvor wurden die neuen Abgeordneten geschult.
In Birmas Parlament hat die NLD von Aung San Suu Kyi die Mehrheit – ohne demokratische Opposition. Doch Demokratie fällt nicht vom Himmel.