taz.de -- Kolumne So nicht: Gratisempörung für die Gurkentruppe

Die AfD mit mehr Humor nehmen. Das könnte wirksamer sein, als mit der gleichen Schnappatmung, mit der sie agiert, zu reagieren.
Bild: Humor hat auch, wer über sich selbst lachen kann

Hat Twitter die Deutschen lustiger gemacht? Schwer zu sagen, wenn unter den zehn beliebtesten deutschen Twitterern 9 Fußballer und Heidi Klum sind.

Wer den Deutschen unterstellt, sie hätten nicht allzu viel bis keinen Humor, kriegt immer noch was zu hören. Die Reaktionen sind mindestens so heftig wie die auf die Vorwürfe, was gegen Frauen, Juden, Ausländer, kleine Kinder und Tiere zu haben.

Meistens wird zum Beweis des Gegenteils sehr laut gelacht, dann allen Ernstes auf Lesebühnen und lustige Twitterer verwiesen, „Heinz Erhardt, Loriot und Titanic“ gesagt und „Harald Schmidt und Oliver Welke und der Böhmermann“ und dass es woanders ganz genauso und in den USA sogar noch viel schlimmer und also alles nur Klischee – selbstverständlich ein überkommenes und zwar längst – sei.

Gar nicht lustig wird es, wenn man sich dann über Leute lustig macht, die nicht verstanden haben, dass Witze machen und Humor haben zwei verschiedene Dinge sind und dass „Humor hat, wer trotzdem lacht“ nicht meint, dass man immerzu laut brüllt oder anderen Leuten Tomaten oder Torten ins Gesicht wirft. „Ich hab nichts gegen Humor, aber …“ hört man sagen „… hier hört der Spaß auf“ oder „… irgendwo hört der Spaß auf“ oder „… man kann auch nicht immer nur lustig sein.“

Nun fielen die Twitter-Geburtstagsfeiern und die Gründung des AfD-Bremen-Nord-Accounts bei eben jenem auch „Dienst“ genannten Medium in eins. Zeitungsberichte, die der Frage nachgingen, ob es sich bei diesem Nutzer um ein Fake handelt, hatten in etwa das Humorverständnis von Katzen.

Es ist der „Halt! Stop! Achtung, Achtung! Alles stehen und liegen lassen. Der Weltuntergang findet statt. Jetzt. Alle schnell hier lang“-Tickerstil, in dem in den vergangenen Monaten jeder Halbsatz der Söder-Seehofer-Bande oder der Petry-Storch-Connection verbreitet wurde. Als hätten die den Nachrichtenwert von dem eines Terroranschlags in der Türkei.

„Ominöser Twitter-Account der AfD_BremenNord verwirrt das Netz. Nur eins ist bestätigt: @janboehmwar’snicht“, [1][twitterte nun die Berliner Zeitung ] und zitierte im Text die echte AfD Bremen, die bestätigt, dass der Account nichts mit der Partei zu tun hat.

Die ganze Geschichte ist so gut wie die um Böhmermanns Varoufake. Top-Journalisten fielen auf den AfD-Fake rein und retweeteten ihn und werden nun ausgelacht. Zu Recht. Denn die Gratisempörung von Journalisten und Politikern hat der AfD in den letzten Monaten einen großen Gefallen getan.

Diese Gurkentruppe ein bisschen mehr mit Humor zu nehmen, könnte wirksamer sein, als mit der gleichen Schnappatmung, mit der die agiert, zu reagieren. Humor ist nämlich, wenn man auch lauthals über sich selbst lacht. Das hatten Linke bisher den Rechten voraus.

Die seriösen Polit-Talkshows und Presse-Clubs und andere Schnarchnasenrunden, die sich monatelang von der AfD die Themen diktieren ließen, müssten sich eigentlich nur an den Merkel-Deal mit der Türkei orientieren: Für jeden Satiriker, der reinkommt, fliegt ein AfDler raus.

22 Mar 2016

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[1] http://twitter.com/BLZonline/status/711840285563736064

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Doris Akrap

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