taz.de -- Hamburg braucht weitere 40.000 Plätze: Flüchtlings-Monopoly für alle
Der Senat will die Suche nach Bauflächen für Flüchtlingsunterkünfte ganz wissenschaftlich und bürgernah gestalten.
Hamburg taz | Die Botschaft lautet: Wir schaffen das – gemeinsam. Bei der Suche nach geeigneten Flächen für Erstaufnahme- und Folgeunterkünfte für Flüchtlinge geht Hamburg neue Wege. Interaktiv und partizipativ soll [1][ein neues Flächenfindungsprogramm für Flüchtlingsunterkünfte sein], das die [2][Hafencity-Universität] mit entwickelt hat. An kleinen Stadt- und Stadtteilmodellen, auf denen jede Fläche über 1.000 Quadratmeter erfasst ist, soll eine „weitgehend gleichmäßige Verteilung von Schutzsuchenden auf dem Stadtgebiet“ geplant werden.
Das spannende daran: Zu jeder der eingescannten Flächen sind auf Knopfdruck Informationen verfügbar, die eine sekundenschnelle Ersteinschätzung erlauben, ob die Fläche überhaupt in Frage kommt. Digital katalogisiert werden sollen Daten wie Baurechtssbeschränkungen oder der Grundstücks-Eigentümer. Durch das Verschieben Legostein-großer Unterbringungseinheiten können immer wieder neue Standortvarianten durchgespielt werden. Das Ziel: wie 2015 sollen auch im laufenden Jahr noch einmal 40.000 Plätze für Flüchtlinge gefunden werden.
Da daran in diversen Workshops möglichst viele Interessierte teilnehmen sollen, nimmt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der das Hightech-Mitbestimmungsprojekt am Dienstag präsentierte, den Initiativen gegen Flüchtlings-Großsiedlungen Wind aus den Segeln. Statt ihre Volksinitiative durchzubringen, sollten sie lieber am Planungstisch konkrete Verteilungsentwürfe präsentieren.
Scholz forderte die HamburgerInnen auf, „sich zu beteiligen, und ganz praktisch zu gucken: Wie könnte es denn gehen.“ Laut der Volksinitiative sollen in keiner Unterkunft mehr als 300 Personen wohnen – Hamburg würde bei 40.000 Neuankömmlingen 2016 dann mindestens 133 neue Flüchtlingsunterkünfte benötigen, die nach den Kriterien der Volksinitiative auch noch jeweils mindestens einen Kilometer voneinander entfernt liegen müssen.
Gesa Ziemer von der Hafencity-Uni geht davon aus, dass es durch das virtuelle Stadtmodell möglich sei, neue Flächen für Unterkünfte in den Fokus zu nehmen, „die die Behörden noch gar nicht auf der Rechnung haben“. In den Workshops, bei denen die lokale Kompetenz der Anwohner einfließen soll, kann dann über Unterkunftsstandorte und deren Vor- oder Nachteile diskutiert werden.
Der Opposition fiel es am Dienstag schwer, etwas zum Mäkeln zu finden. Christiane Schneider von der Linkspartei sieht in dem Stadtmodell „ein interessantes Projekt“, das geeignet sei für mehr Bürgerbeteiligung zu sorgen, lediglich „etwas spät“ komme. Auch für die FDP-Chefin Katja Suding rennt Olaf Scholz „der öffentlichen Debatte hinterher“. Scholz’ Bereitschaft, „nach Monaten der Basta-Politik neue Wege zu gehen“, ist für CDU-Fraktionschef André Trepoll ein Zeichen dafür, „dass der Druck der Volksinitiative wirkt“.
Die Initiativen begegnen dem Vorstoß mit Skepsis. Götz von Grone von der BI „Wir in Eppendorf“ etwa hofft, „dass in diesem Programm die Hinweise von Bürgern der Nachbarschaft ernsthaft geprüft“ werden. Bislang habe die Stadt solche Vorschläge meist „einfach ignoriert“.
2 Mar 2016
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