taz.de -- Kritik an ,,sicheren“ Herkunftsländern: Sicher? Sicher nicht
Wer in Algerien, Marokko und Tunesien ins Visier der Behörden gerät, muss Folter fürchten. So viel zu den neuen sicheren Herkunftsstaaten.
Madrid taz | Algerien, Marokko und Tunesien: Nach Ansicht der wichtigsten internationalen Menschenrechtsorganisationen sind diese drei Staaten keine sicheren Herkunftsländer. Nur im nachrevolutionären Tunesien habe sich die Lage etwas verbessert, heißt es bei Amnesty International und Human Rights Watch (HRW).
Dort garantiert die Verfassung von 2014 „wichtige bürgerliche, politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte“, heißt es bei HRW, die tunesischen Behörden hätten jedoch nur „geringe Fortschritte bei der Überarbeitung der Gesetzgebung insbesondere beim Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung“ gemacht.
Immer noch würden Menschen verfolgt, weil sie ihre Meinung kundgetan haben, werden Rapper, Journalisten und Blogger wegen „Verleumdung“, „Amtsbeleidigung“, „Schädigung der öffentlichen Ordnung“ oder „öffentliche Moral“ abgeurteilt.
Marokko ist bei Weitem nicht so demokratisch, wie sich das Land nach außen gerne gibt. „Wer an der Oberfläche kratzt, wird auf Folter stoßen”, beurteilte Amnesty im vergangenen Jahr die Lage im nordafrikanischen Königreich. Aktivisten des örtlichen Ablegers des Arabischen Frühlings, der „Bewegung 20. Februar“, oder rein politisch tätige Islamisten stehen ebenso vor Gericht wie Aktivisten aus der besetzten Westsahara.
Marokkanern, die geflohen sind und die dann wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen, droht Haft. Grund: Sie sind „illegal ausgewandert“, und das wird richterlich verfolgt
Im benachbarten Algerien sieht es nicht viel besser aus. Demonstrationen werden fast nie genehmigt, Bürgerinitiativen und Parteien meist nicht zugelassen, die Pressefreiheit ist eingeschränkt; Ehebruch und Homosexualität stehen unter Strafe.
In mehreren algerischen Kasernen werden nach Erkenntnissen von Menschenrechtlern Geheimgefängnisse unterhalten, in denen vor allem des Islamismus Verdächtige eingesperrt sind. Schwerste Folterungen sollen dort weiter an der Tagesordnung sein.
4 Feb 2016
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
„Härte“ und „Abschottung“ hätten die anfängliche Offenheit ersetzt, sagt Amnesty. Die Bundesregierung muss sich harte Vorwürfe anhören.
Die Grünen könnten zustimmen, Marokko und Algerien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Auf wessen Nein ist dann noch zu hoffen?
Im Bundesrat könnten die Grünen die Ausweitung der „sicheren Herkunftsstaaten“ blockieren. Doch Winfried Kretschmann dealt mit der Kanzlerin.
Der marokkanische Journalist Anouzla muss nach einem „Bild“-Interview mit Haft rechnen. Er sagt, seine Aussagen seien falsch übersetzt worden.
Aus Staatsraison wird Winfried Kretschmann wohl dem Asylpaket im Bundesrat zustimmen. Er sollte sich nicht zu billig verkaufen.
Wie stimmen die Grünen im Bundesrat in der Frage der sicheren Herkunftsstaaten ab? Nicht unbedingt so, wie es beim Parteitag beschlossen wurde.
Schneller ablehnen, öfter abschieben, mehr regulieren: Das Kabinett hat das Asylpaket II beschlossen. Ein Überblick über die Veränderungen.
Bundesinnenminister Thomas de Maiziére ist zu Besuch am Hindukusch. Dorthin will er künftig mehr Flüchtlinge zurückschicken.