taz.de -- Leere Unterkünfte im Norden: Kreise wollen mehr Flüchtlinge

Seit Februar gibt es für Schleswig-Holsteins Kommunen weniger Menschen unterzubringen. Nun fürchten sie, auf den Kosten sitzen zu bleiben.
Bild: Leere Betten im Blick: Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) in einer Erstaufnahmeeinrichtung

HAMBURG taz | Es klingt wie verkehrte Welt: Kommunen in Schleswig-Holstein sind nervös, weil auf einmal kaum noch Flüchtlinge kommen. In einer E-Mail vom 27. Januar kündigte das [1][Landesamt für Ausländerangelegenheiten] (LfA) in einer Drei-Monats-Prognose an, dass bis Ende April jede Woche nur noch 200 Flüchtlinge aus den Erstaufnahmen in die Kreise und kreisfreien Städte verteilt werden. Zum Vergleich: In den Wochen davor kamen wöchentlich bis zu 700. Rolf-Oliver Schwemer, Landrat des Kreises [2][Rendsburg-Eckernförde], schrieb nun einen Brief an Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Darin fordert er weiter eine „kontinuierliche Zuweisungspraxis“.

Allein in seinem Landkreis gebe es nun ungenutzten Wohnraum für 600 Flüchtlinge, schreibt Schwemer. Auch andere Kommunen hätten „in solidarischer Voraussicht“ für mehr Geflüchtete Wohnraum geschaffen. Durch die neue Zuweisungspraxis blieben sie nun „auf Vorhaltekosten in Höhe von mehreren hunderttausend Euro sitzen“.

Ganz ähnliche Probleme in der [3][Kreisstadt Heide] in Dithmarschen. Man habe zu Jahresbeginn für 190.000 Euro in einem ehemaligen Wohnblock einer Kaserne Wohnraum für 120 Menschen geschaffen, sagt Stadtsprecher Jannick Schwenders. Doch statt der erwarteten 90 bis 120 Flüchtlinge seien nur fünf gekommen. Das Gebäude stehe leer. Durch Unterhalt und Bewachung entstünden „Kosten, die nicht durch Ausgleichzahlungen des Landes gedeckt sind“.

„Großes Verständnis“ für den Unmut der Kommunen äußert die CDU-Landtagsabgeordnete Astrid Damerow. Es müsse möglich sein, die Kommunen mindestens vier Wochen im Voraus über die zu erwartende Zahl der Flüchtlinge zu informieren. Damerow: „Zu Beginn der Flüchtlingskrise ging dies noch nicht. Aber jetzt sind die Flüchtlinge über Wochen in den Erstaufnahmeeinrichtungen, bevor sie auf die Kommunen verteilt werden.“

Innenminister Studt weist die Vorwürfe zurück. Dass die Zugangszahlen im Winter zurückgingen, sei ein „bekanntes Phänomen und sollte keine Verwunderung erzeugen“. Das Landesamt handle mit seiner Prognose gemäß der Vereinbarungen des „[4][Flüchtlingspakts]“ vom Mai 2015, wonach die Flüchtlinge erst mal sechs Wochen in den Erstaufnahmen bleiben. Dies habe auch fachliche Gründe, erläutert Studts Sprecher Patrick Tiede. Sie sollen dort erst mal zur Ruhe kommen, ihren Asylantrag stellen und sich auf ihre Zukunft vorbereiten, bevor es in die Kommunen geht.

Und anders als im Herbst gibt es auch in den zwölf Erstaufnahmen des Landes inzwischen Platz. Von 12.360 Betten waren Anfang Februar nur 5.470 belegt. Ganz anders ist die Lage in Hamburg, wo über 6.000 Flüchtlinge in neun ehemaligen Baumärkten leben müssen. Wie [5][berichtet], verhandelt das Land mit dem benachbarten Hamburg, ob 1.000 bis 2.000 der dort unterzubringenden Flüchtlinge in die ab April eröffnete Erstaufnahme in Bad Segeberg ziehen können. Wegen des „Königsteiner Schlüssels“ bekommt Schleswig-Holstein 3,4 Prozent aller Geflüchteten, das flächenmäßig kleinere Hamburg aber auch bereits 2,5 Prozent.

Bundesweit war die Zahl der Neuzugänge im Januar mit rund 64.000 Menschen weiter hoch. Doch Schleswig-Holstein ist für 2.178 davon zuständig. Die Ankommenden würden noch am selben Tag per bundesweitem „Esay-System“ – für „Erstverteilung der Asylbegehrenden“ – registriert und schnell umverteilt, sagt Ministeriumssprecher Tiede. „Wir geben 50 Prozent der Ankommenden gleich an andere Bundesländer ab.“

Die Kapazitäten in den Kommunen würden aber noch bedient. Sind die Flüchtlinge erst mal zugewiesen, zahle das Land 2.000 Euro „Integrationspauschale“ im Monat. Da seien auch Vorhaltekosten für Wohnraum „mit drin“.

12 Feb 2016

LINKS

[1] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/Z/zuwanderung/lfa.html
[2] http://www.kreis-rendsburg-eckernfoerde.de
[3] http://www.heide.de/startseite.html
[4] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Schwerpunkte/Zuwanderung/_documents/150506_Fluechtlingskonferenz/fluechtlingspakt.pdf?__blob=publicationFile&v=4
[5] /Fluechtlings-Hilfe-in-Nord-Deutschland/!5266168

AUTOREN

Kaija Kutter

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