taz.de -- EU diskutiert Mediengesetz in Polen: Keine Sanktionen gegen Polen

Brüssel prüft Verstöße der polnischen Regierung gegen das europäische Regelwerk. Und EU-Kommissar Oettinger droht eine schwere Schlappe.
Bild: Proteste in Warschau gegen den PiS-Chef Kaczynski und das neue Mediengesetz.

Brüssel taz | Die Übergriffe der polnischen Rechtsregierung auf den Rechtsstaat und die Medien haben in Brüssel eine hitzige Debatte ausgelöst: Vor allem deutsche Europapolitiker werfen sich gegenseitig Arroganz und Versagen vor. EU-Kommissar Günther Oettinger droht eine schwere Schlappe.

Oettinger hatte Anfang Januar öffentlich gefordert, die neue polnische Regierung „unter Aufsicht“ der EU zu stellen. Der CDU-Politiker, der in Brüssel auch für die Medienpolitik zuständig ist, kritisierte vor allem das neue polnische Mediengesetz, das öffentlich-rechtliche Sender de facto unter Regierungskontrolle stellt.

Doch sein Chef, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, will keinen Streit. Er glaube nicht, dass es zu Strafmaßnahmen kommen werde, sagte Juncker Ende vergangener Woche. Am heutigen Mittwoch soll es zwar eine erste „Orientierungsdebatte“ zu Polen in der Brüsseler Behörde geben. Mit Ergebnissen wird aber nicht gerechnet.

Intern habe man sich längst auf eine weiche Linie verständigt, heißt es in Brüsseler EU-Kreisen. Juncker arbeite dabei eng mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Auch Oettinger sei eingebunden. Die Absprache zwischen Berlin und Brüssel läuft darauf hinaus, Polen zwar zu ermahnen, aber keine Sanktionen zu verhängen.

Zunächst ist ohnehin nur ein verstärkter Dialog geplant. Erst ganz am Ende könnte der Entzug von Stimmrechten stehen. Da er einstimmig beschlossen werden müsste und Ungarn schon mit einem Veto droht, hat Polen letztlich nichts zu fürchten.

Heftige innerdeutsche Debatte

Spuren dürfte der Streit allerdings bei den deutschen Europapolitikern in Brüssel hinterlassen. Sie werfen sich gegenseitig vor, sich im Ton vergriffen zu haben und die deutsch-polnischen Beziehungen zu vergiften. Für Empörung sorgt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.

Der SPD-Politiker hatte Polen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung als „gelenkte Demokratie nach Putins Art“ bezeichnet. Sein Vize Alexander Graf Lambsdorff (FDP) warf ihm daraufhin vor, einen „verbalen Amoklauf“ unternommen zu haben. Schulz verstärke damit nur die antideutschen und antieuropäischen Gefühle.

Ähnlich äußerte sich der Chef der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer. „Ein kritischer Blick auf problematische Entwicklungen in Polen muss sein, aber keine herrische Haltung“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Auch der CDU-Europapolitiker Elmar Brok mahnte zur Zurückhaltung.

Es dürfe „keine Vorverurteilung der polnischen Regierung geben - vor allem nicht von deutscher Seite“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Die Rechtsausleger in Warschau können sich beruhigt zurücklehnen.

12 Jan 2016

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Polen
Medien
Jarosław Kaczyński
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Russland
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Demonstration in Warschau: Tausende gegen Demokratieabbau

In Warschau demonstrieren Tausende gegen die nationalkonservative Regierung Polens. Viele marschieren auch für den einstigen Arbeiterführer Walesa.

Polens neuer Generalstaatsanwalt: Ziobro, der Allmächtige

Der Justizminister der PiS wird oberster Staatsanwalt. In dieser Doppelfunktion gab Zbigniew Ziobro schon einmal den erbarmungslosen Sheriff.

Essay Polen im Umbruch: Das ungezogene Kind

Deutsche Überheblichkeit beim Blick auf Kaczyński ist keine Hilfe. Die Polen können, wollen und müssen ihre Probleme selbst lösen.

Widerstand gegen Rechtsruck in Polen: Die Unabhängige

Die Verschärfung der Mediengesetze in Polen wird nicht nur von der EU kritisiert. Auch im Land wächst der Protest. Eine Aktivistin im Porträt.

Rechtsstaatsverfahren der EU: Bloß keine Polemik gegen Polen

Die Europäische Kommission löst erstmals ein neues Prüfverfahren gegen Polen aus. Von Sanktionen ist vorerst keine Rede.

Neue EU-Taskforce: Infokrieg gegen Russenpropaganda

Mit einer publizistischen Sondertruppe will Brüssel russischen Falschmeldungen begegnen. Doch die Wirkung ist fragwürdig.

Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Der Merkel-Freundeskreis

Ein Drittstaat wie die Türkei ist derzeit wichtiger als Länder wie Italien oder Polen. Die Europäische Union funktioniert nicht mehr.

Pläne der EU für eine Küstenwache: Schotten dicht

Die Einreise von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen soll verhindert werden. Die Küstenwache soll auch gegen den Willen von Staaten eingreifen dürfen.

EU verhandelt mit der Türkei über Beitritt: Eine sehr pragmatische Politik

Dank der türkischen Hilfe bei der Abschottung gegen Flüchtlinge geht es mit den Beitrittsverhandlungen voran. Zwei neue Kapitel wurden jetzt eröffnet.