taz.de -- Gewissensfrage Feuerwerk: Knallen muss auch mal
Lust am Lärm oder schlechtes Gewissen: Hilfsorganisationen kabbeln sich, ob man an Silvester das Elend in der Welt vergessen darf.
Bitzzzzzzzzzzz. Die Zündschnur brennt, knistert. Spannung. Und dann: Fjüüüüüüt. Das Geschoss flitzt los. Blicke folgen, Herzen bleiben stehen. BAM. Krach. Funken. Feuerwerk.
Die Silvesterböllerei ist ein Festakt der Verschwendung, bei dem für den kurzen Kick gerne Müll, giftige Luft und die Gefahr für Leib und Leben hingenommen werden. Doch wie bei jeder sinnlosen Frivolität kommen auch hier die mahnenden SpielverderberInnen und wollen einem das Vergnügen madig machen.
Die Spaßbremsen, das sind der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und die Evangelische Jugend München (EJM). Seit 1982 rufen die kirchlichen Organisationen jährlich mit ihrer Aktion „Brot statt Böller“ dazu auf, das Geld für die Knallerei lieber an Hilfsprojekte für die – Zitat – „sogenannte ‚Dritte Welt‘“ zu spenden. Man möge doch, heißt es auf der [1][Webseite] der Aktion, „zu Silvester auch an die denken, die nichts zu feiern haben“.
Das geht wiederum der „Aktion 3. Welt Saar“ auf die Nerven. Die politische Organisation mit Sitz im saarländischen Losheim hat jetzt [2][gefordert], den Slogan „Brot statt Böller“ durch „Brot und Böller“ zu ersetzen. Denn: „Lustfeindlichkeit und schlechtes Gewissen helfen nicht gegen Hunger.“ Stattdessen helfe eine andere Agrar- und Umverteilungspolitik.
Auf der einen Seite steht die Lust am Lärm, auf der anderen das schlechte Gewissen. Dabei ist gerade das Geknalle am Jahresende ein notwendiger Verarbeitungsmechanismus, um den ganzen Weltschmerz genüsslich in den Himmel zu pusten.
Enttäuschungen, Schmerz und innere Konflikte können die Feiernden so – krachbumm – loswerden. Und durch den Schwefelrauch und die aufgeweichte Pappe erfrischt ins neue Jahr stapfen. Bereit, neues Elend zu verkraften. Das muss auch mal. Spenden kann man natürlich trotzdem.
31 Dec 2015
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