taz.de -- Frieden mit der Farc-Guerilla: Wahrheitskommission für Kolumbien

Regierung und Rebellen einigen sich auf ein komplexes Friedenspaket. Der Plan stellt Wiedergutmachung und Aufklärung über Bestrafung.
Bild: Regierungsunterhändler Humberto de la Calle (li.) und Farc-Sprecher Luciano Marin besiegeln die Einigung in Havanna.

Buenos Aires taz | Mit einer Schweigeminute und einem Ave Maria für die Opfer des kolumbianischen Bürgerkrieges begann am Dienstag die Bekanntgabe der Einigung über die Wiedergutmachung und der Gerechtigkeit. „Wir begrüßen es, dass ein Weg gefunden wurde, der uns nach so vielen Jahrzehnten der Straflosigkeit anerkennt,“ sagte die Journalistin Jineth Bedoya im Namen der Opfer.

Geeinigt haben sich Kolumbiens Regierung und Farc-Guerilla auf eine spezielle Friedensjustiz (Jurisdicción Especial para la Paz), die Einrichtung einer Wahrheitskommission und einer Kommission für die Suche nach den Verschwundenen, einer umfassenden Wiedergutmachung für die Opfer, sowie auf Mechanismen, die garantieren sollen, dass sich das Geschehene nicht wiederholen kann.

Beide Seiten führen seit November 2012 auf Kuba Friedensgespräche. Der Konflikt zwischen dem kolumbianischen Staat und der Farc begann 1964. Nach Angaben des Centro de Memoria Histórica de Colombia haben die fünf Jahrzehnte der militärischen Auseinandersetzungen, an denen auch andere Guerilleros und Paramilitärs beteiligt waren, rund 6,5 Millionen Opfer gefordert. 5,7 Millionen Menschen wurden vertrieben, 220.000 getötet. 25.000 sind verschwunden und 27.000 wurden entführt.

Auf die Einrichtung spezieller Friedenstribunale im Rahmen der Friedensjustiz hatten sich beide Seiten schon im vergangenen September verständigt. Die Tribunale sollen autonom agieren, das Auswahlverfahren für ihre personelle Zusammensetzung ist noch nicht abschließend geklärt. „Das Auswahlverfahren wird transparent sein und das Vertrauen der ganzen Gesellschaft genießen,“ so Humberto de la Calle, der Chefunterhändler der Regierung.

Gefängnis für Uneinsichtige

Eines der Tribunale soll die Straftaten verhandeln, die nicht unter eine vorgesehene Amnestie fallen und als Menschenrechtsverletzungen zu bewerten sind. Als Strafen sind bis zu acht Jahren Entschädigungsarbeiten zu Gunsten der Opfer unter „speziellen Bedingungen von Freiheitseinschränkungen” vorgesehen.

Eine Gefängnisstrafe droht jedoch allen Beschuldigten, die nicht kooperieren oder schwerer Menschenrechtsverbrechen für schuldig befunden werden. Dann drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis. Rebellion als Straftatbestand soll amnestiert werden. Offen ist dagegen, wie mit dem Komplex Drogenhandel umgegangen wird. Dazu bedarf es zunächst einer Entscheidung des Parlaments.

Wie die mögliche Wiedergutmachung konkret geschehen soll, scheint jedoch weiterhin offen zu sein. Beide Seiten sprachen eher allgemein von der Verpflichtung zur Zusammenarbeit. „Wir haben über die Räumung von verminten Gebieten und der Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur gesprochen,“ so Humberto de la Calle.

Bisher hatten Regierung und Farc einvernehmliche Regelungen bei wichtigen Fragen nach einer Landreform, der zukünftigen Eingliederung und Beteiligung der Guerilla am politischen Prozess und der Opferentschädigung erzielt. Was konkret vereinbart wurde, ist nicht bekannt und soll erst am Ende der Verhandlungen als Gesamtpaket öffentlich gemacht werden. Das Paket soll spätestens am 23. März 2016 unterzeichnet werden. Nach dem Willen der Regierung soll die Bevölkerung über dessen Annahme entscheiden.

16 Dec 2015

AUTOREN

Jürgen Vogt

TAGS

Kolumbien
Farc
Bürgerkrieg
Kolumbien
Kolumbien
Kolumbien
Farc
Kolumbien
Kolumbien
Farc
Farc
Friedensverhandlungen

ARTIKEL ZUM THEMA

Friedensprozess mit Farc in Kolumbien: Proteste gegen Annäherung

Die Versöhnung zwischen Kolumbiens Regierung und der Guerilla rückt näher. Zehntausende gingen auf die Straße, um dagegen zu protestieren.

Friedensprozess in Kolumbien: Nicht um jeden Preis

Seit mehr als drei Jahren ringen Kolumbiens Regierung und die Farc-Guerilla um Aussöhnung. Ein Abkommen scheint greifbar. Viele sind skeptisch.

Verhandlungen mit der Farc in Kolumbien: Frieden wird noch einmal verschoben

Eigentlich wollten Regierung und Farc-Guerilla am Mittwoch den Friedensvertrag unterzeichnen. Das ist jetzt erst einmal verschoben.

Verhandlungen mit der Farc-Guerilla: Waffenruhe in Kolumbien vereinbart

Die Fortschritte sollen von einer UN-Beobachtermission überwacht werden. Verhandlungsführer von Regierung und Rebellen betonen die Bedeutung dieses Fortschritts.

Venezuela und Kolumbien: Ausnahmezustand an der Grenze

Nach einem Grenzzwischenfall verhängt Venezuela den Ausnahmezustand. Staatschef Maduro macht rechte Banden aus Kolumbien verantwortlich.

Farc-Rebellen in Kolumbien: Nichts als die Wahrheit

Regierung und Rebellen haben die Einrichtung einer Wahrheitskommission vereinbart. Sie soll unabhängig die Verbrechen des Konflikts aufklären.

Nach Angriffen der Armee in Kolumbien: Farc greift wieder zu den Waffen

Die bewaffnete Guerilla kündigt in Kolumbien den Waffenstillstand auf. Das Ende ihrer Feuerpause bedeutet aber nicht das Ende der Friedensgespräche.

Friedensgespräche in Kolumbien: Luftangriffe gegen Guerilla gestoppt

Einen Waffenstillstand mit der Farc-Guerilla hat Präsident Juan Manuel Santos stets abgelehnt. Jetzt lässt er die Bombardierungen vorerst aussetzen.

Friedensverhandlungen in Kolumbien: Präsident will Waffenstillstand

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat einen Waffenstillstand mit der Farc-Guerilla stets abgelehnt. Jetzt will er doch darüber verhandeln.