taz.de -- Frauenanteil auf Podien: Wenn Männer die Welt erklären
Wenn öffentlich diskutiert wird, sind die Akteure meist männlich. Darauf weist das Projekt „50 Prozent“ hin – Alternativen inklusive.
Berlin taz | Vielleicht haben Frauen einfach nicht so viel Kluges zu sagen. Der Eindruck könnte jedenfalls aufkommen, wenn man auf die Podien zufällig ausgewählter Talkshows, Konferenzen oder anderer öffentlicher Veranstaltungen schaut. Männer, Männer, Männer. Aber Moment: Vielleicht haben wir ein strukturelles Problem. Vielleicht gibt es sie doch, die Expertinnen – sie werden bloß nicht eingeladen. Wie ungleich die Verteilung auf vielen Podien ist, zeigt jetzt das [1][Projekt „50 Prozent“].
Kein schönes Bild. Dargestellt in vielen kleinen Diagrammen lässt es sich nicht mehr übersehen: Auf dem Nationalen IT-Gipfel redeten Mitte November [2][83 Prozent Männer]. Auf der Data Natives, einer Konferenz zu datenbasierter Technologie, sprachen [3][29 Männer und 3 Frauen]. Bei einer Veranstaltung der NRW-Landesvertretung zu Digitalisierung gab es [4][überhaupt keine Frauen auf dem Podium].
Nun wollen wir nicht unfair sein. Auf einer Messe zu Frauen in der Arbeitswelt, da gab es Frauen. Und zwar fast ausschließlich: von 48 Redenden [5][waren 42 weiblich]. Frauenthemen, ja, damit kennen Frauen sich aus. Mit Netzkram und Computern und so eher nicht. Es ist die selbe alte Leier wie [6][bei der Frauenquote]: Wir wollen ja, aber wir finden einfach keine qualifizierte Frau.
So einfach ist es nicht. Und so einfach machen es sich auch die Macherinnen der Seite nicht. Sie wollen nicht nur eine Wall of Shame und einen kleinen Shitstorm hier und da. Stattdessen bieten sie Auswege aus dem alten Trott, in dem Männer uns die Welt erklären. Wer will, kann sich direkt weiterleiten lassen auf die Seite [7][Speakerinnen.org].
Kein Anspruch auf Vollständigkeit
Dort haben sich [8][Expertinnen zu allen denkbaren Themen] versammelt, mitsamt Kontaktdaten. Die Expertinnen können sich selbst ein Profil auf der Seite anlegen. Allein in der Rubrik „Internet & Medien“ finden sich derzeit 490 Speakerinnen. Wer da nicht fündig wird, der will nicht. „Keine Ausreden mehr für Panels ohne Frauen“, das ist das Ziel der Speakerinnen-Liste.
Auch die 50-Prozent-Seite setzt auf die Community, die Veranstaltungen einträgt und die Geschlechterverteilung auf dem Podium auszählt. Dadurch ist das Bild natürlich beeinflusst. Es landen vor allem die Negativbeispiele in der Auflistung. Schlecht muss das nicht sein. Die Seite soll sensibilisieren, auf ein Problem aufmerksam machen – und kein bundesweiter Veranstaltungskalender sein.
Ein nettes Detail: Falls vorhanden, sind jeweils die Twitter-Accounts der Veranstalter angegeben. Wer sich also wundert, warum schon wieder nur Männer Kluges sagen dürfen, kann direkt nachfragen. Daran, dass es keine passenden Frauen gibt, kann es ja nicht liegen.
10 Dec 2015
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die meisten Menschen sprechen ungern über ihr Gehalt. Was verdient eine Topmanagerin? Und was eine Reinigungskraft? Sechs Protokolle.
Auch wenn die CDU nirgends so weiblich ist wie in Hamburg, bleiben Posten oft Männern vorbehalten. Das kann so nicht bleiben, sagt die Chefin der Frauen-Union.
Eine neue Stiftung will die deutsche Internetwirtschaft fördern. Im Beirat sitzt viel Prominenz – nur keine weibliche.
Gleiche Arbeit für gleichen Lohn gibt es in Deutschland noch lange nicht. Ein neues Gesetz soll jetzt helfen, den „Gender Pay Gap“ zu beseitigen.
Auf dem traditionellen Buchmarkt verkaufen sich Bücher von Frauen schlechter als die von Männern. Im Selbstverlag aber dominieren sie die Toplisten.
Aller Kritik zum Trotz: Auf den Münchner Medientagen dominieren mal wieder die Männer. Das soll im nächsten Jahr anders werden.
Männer dominieren nach wie vor die Podien auf Konferenzen. Die Seite speakerinnen.org macht jetzt demonstrativ Expertinnen sicht- und buchbar.