taz.de -- Flüchtlingsheim in Berliner Ex-Flughafen: Barbecue statt Unterkunft
Berlin streitet darüber, ob Geflüchtete auf das ehemalige Flughafengelände ziehen dürfen. Jede Bebauung ist auf der „Schutzzone“ verboten.
Berlin taz | Freizeit und Umweltschutz oder Flüchtlinge? Die Suche nach weiteren Unterkünften hat sich in Berlin ausgeweitet auf ein Areal, auf dem bislang jegliche Bebauung verboten ist. In der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) ist man auf die Idee gekommen, auf dem früheren Flugfeld des 2008 stillgelegten Flughafens Tempelhof Flüchtlinge unterzubringen. Dazu aber müsste der Volksentscheid korrigiert werden, der das Feld im Mai 2014 zu einer Schutzzone gemacht hat.
Die rot-schwarze Landesregierung, damals noch mit Müller als Stadtentwicklungssenator, hatte geplant, auf dem Tempelhofer Feld genannten Areal fast 5.000 Wohnungen zu errichten. Das sollte zwar nur den Rand betreffen, stieß aber dennoch auf starken Widerstand. Denn das Feld hatte sich nach Schließung des Flughafens zu einem zentralen Berliner Freizeitort entwickelt, mit Picknickern auf den Wiesen und Skatern, Läufern oder Radfahrern auf den früheren Start- und Rollbahnen.
Müller rechtfertigte die Pläne damals mit der Wohnungsnot in Berlin – schon vor den jetzigen Flüchtlingszahlen war Berlin in den vergangenen Jahren um jeweils rund 40.000 Einwohner gewachsen. Der Volksentscheid ergab aber eine deutliche Zweidrittelmehrheit für die Bebauungsgegner.
Verboten sind seither gemäß dem „Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Felds“ nicht nur feste Gebäude, sondern auch „jede Form von Camping und provisorische Behausungen“. Ausgeschlossen wäre also auch eine Traglufthalle, die nach Müllers Willen am Westrand des Gebiets Flüchtlinge unterbringen will. Das wäre gleich neben den früheren Flugzeugschuppen, wo bereits mehrere hundert Flüchtlinge leben und wo noch weitere hinzukommen sollen. Die Traglufthalle selbst ist offenbar schon bestellt und soll eigentlich als Blumenhalle für die Internationale Gartenausstellung 2017 in Berlin-Marzahn dienen.
Kritiker des Vorschlags, die sich auch beim Koalitionspartner CDU finden lassen, sehen darin einen Versuch Müllers, die Flüchtlingsnot zu nutzen, um das Feld gegen den erklärten Volkswillen doch noch bebauen zu können. Tatsächlich hatte Müller zuvor mehrfach zu erkennen gegeben, dass er den Ausgang des Volksentscheids für falsch hält und dass er nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl im September 2016 noch mal über eine Änderung reden wolle.
Die SPD und Müller weisen den Verdacht aber von sich und argumentieren mit der schwierigen Suche nach Unterkunftsmöglichkeiten. Auch ein erstes Gespräch mit der Initiative, die den erfolgreichen Volksentscheid auf den Weg gebrachte hatte, gab es inzwischen. Doch dort ist man nicht begeistert – umso weniger, als jetzt klar wurde, dass die Landesregierung auch für den östlichen Rand des geschützten Felds an eine Unterkunft denkt. Für ihn sei eine Gesetzesänderung dadurch endgültig gestorben, sagt der frühere Chef der Initiative, Felix Herzog.
Der Fraktionschef der Piratenpartei, Martin Delius, hatte Müller jüngst im Landesparlaments geraten, die Halle einfach ohne Gesetzesänderung aufzustellen. Seine Argumentation: Wer würde denn vor Gericht ziehen, um sich gegen eine Flüchtlingsunterbringung zu wehren? Doch selbst in der Landesregierung gibt es noch keine abgeschlossene Meinung zu dem Thema. „Der Senat arbeitet daran“, hieß es von einem Regierungssprecher. Lange Zeit bleibt dafür nicht: Kommenden Dienstag soll in der Senatssitzung eine Entscheidung fallen.
19 Nov 2015
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