taz.de -- Anschläge in Sachsen: Gewaltakte gegen Presse und Politik

Bei der Redaktion der „Freien Presse“ splittern die Scheiben. Auch das Bornaer AfD-Büro von Frauke Petry hat nun zerstörte Fenster.
Bild: Mit sechs Ziegelsteinen ist die Redaktion der Freien Presse in Glauchau (Sachsen) angegriffen worden

DRESDEN taz | Auf die Lokalredaktion der Chemnitzer Freien Presse in Glauchau ist am Sonntagabend ein Anschlag verübt worden. Sechs Ziegelsteine zerstörten die Glasscheiben der Redaktion und der benachbarten Geschäftsstelle. Zwei Redakteure, die um etwa 18.40 Uhr noch in den Räumen arbeiteten, kamen nicht zu Schaden. Es entstand ein Sachschaden von etwa 5.000 Euro.

Die zuständige Polizeidirektion in Zwickau konnte am Montagmittag noch keine Ermittlungserfolge vorweisen. Ein Beamter des Polizeireviers in Glauchau äußerte allerdings die Vermutung, dass es sich um mehrere Täter gehandelt haben könnte. Die offenbar mitgebrachten Ziegelsteine waren trotz des Regens noch trocken und konnten schwerlich von einem Einzeltäter transportiert worden sein. Ein Anwohner hatte kurz nach dem Übergriff einen glatzköpfigen, mit einer Bomberjacke bekleideten Mann beobachtet, der vom Tatort floh.Ein vergleichbarer Anschlag auf Medien ist zumindest in Sachsen bislang nicht bekannt geworden. Im September 2014 waren Redaktionsräume der Lausitzer Rundschau in Brandenburg gleich zweimal von Neonazis attackiert worden.

Der Chefredakteur der Freien Presse, Torsten Kleditzsch, will vor Abschluss der Ermittlungen noch keine Tätergruppe verurteilen. Er beklagt aber, „dass alle Schranken von Anstand und Benehmen zu fallen scheinen“. Michael Hiller, Landesgeschäftsführer des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), erneuerte seine Forderung nach besserem Schutz für Medienvertreter, die immer häufiger verbal bedroht und tätlich angegriffen werden.

Gewalt auch gegen AfD-Politiker

Das mittelsächsische Dreieck zwischen Leipzig, Dresden und Chemnitz ist seit den 1990er Jahren ein Gebiet mit insbesondere in der Jugendszene verfestigten rechten Strukturen. Die von ihnen angestrebten „national befreiten Zonen“ waren hier fast schon greifbare Realität. Am bekanntesten wurde die 2007 verbotene militante Nazi-Kameradschaft „Sturm 34“ in Mittweida.

Wegen der schwierigen Bedingungen in der Region entschied sich die Jury des Sächsischen Demokratie-Förderpreises in der vorigen Woche für die Preisverleihung an die Bürgerinitiative „Gesicht zeigen“ in Penig und Lunzenau. Mitglieder dieses Netzwerks berichten von häufig anzutreffender Ignoranz der Kommunalpolitiker, in deren Augen sie als Nestbeschmutzer gelten.

Erst am vergangenen Donnerstag war ein Brandanschlag auf eine bereits bewohnte Flüchtlingsunterkunft in der Glauchauer Nachbarstadt Crimmitschau verübt worden. Gegen sechs Tatverdächtige erging Haftbefehl.

Opfer der aufgeheizten Stimmung werden andererseits auch AfD-Politiker. So wurden am Sonnabend im Bornaer Bürgerbüro der Bundesvorsitzende Frauke Petry ebenfalls die Scheiben eingeworfen. Die AfD spricht von linksextremen Tätern, verurteilt aber zugleich den Glauchauer Anschlag.

Doch den Boden für solche Gewaltakte bereiten auch Bewegungen, die der AfD gar nicht so fernstehen. Erst tags zuvor hatte Pegida-Organisator Siegfried Däbritz auf Facebook Hohn und Spott über Medienvertreter ausgegossen. Volontäre würden aus der Distanz etwas „zusammenstreichern und -schnitzlern“. An den Attacken von Pegida-Demonstranten seien Kamerateams selbst schuld, weil sie friedliche Spaziergänger „mit ihren großen Kameras an die Köpfe gestoßen haben“.

16 Nov 2015

AUTOREN

Michael Bartsch

TAGS

Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Pressefreiheit
Frauke Petry
Anschlag
Clausnitz
Journalismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Dortmund

ARTIKEL ZUM THEMA

Dankesfest für Flüchtlingshelfer: Feiern mit Pegida?

Die sächsische Regierung will Flüchtlinsghelfern mit einem Fest danken. Doch es gibt Absagen – auch wegen der Einladung eines Pegida-Mitglieds.

D-Radio-Journalistin über Pegida-Demos: „Grenzüberschreitungen jeglicher Art“

Sachsen-Korrespondentin Nadine Lindner hat für das Deutschlandradio viele Pegida-Demos besucht. Sie wünscht sich eine erhöhte Aufmerksamkeit der Polizei.

Brandanschlag auf Asylunterkunft: Haftbefehl gegen drei Verdächtige

Drei Männer sollen Mitte November Molotow-Cocktails auf ein Asylsuchendenheim geworfen haben. Nun wurde Haftbefehl gegen sie erlassen.

Kuschen vor rechter Stimmungsmache: Wir schaffen das! Oder nicht?

Aus Angst vor dem Erstarken von AfD und Pegida kommt die Mitte der Gesellschaft deren Argumenten entgegen. Was soll der Blödsinn?

Umfrage zu Parteien: AfD erstmals drittstärkste Kraft

Grüne und Linke überholt: Die AfD landet in einer Umfrage erstmals hinter Union und SPD. Die Union stoppt ihren Abwärtstrend bei den Wählern.

Kommentar Reaktionen auf Anschläge: Infame Scharfmacherei

Die Anschläge von Paris werden von konservativer Seite instrumentalisiert, um Angst vor Flüchtlingen zu schüren – ein gefährliches Fahrwasser.

Rechte Reaktionen auf Anschläge in Paris: Das Anheizen nach den Schüssen

Nach den Attentaten in Paris verschärft die rechte Szene Deutschlands den Ton. Vorneweg: Pegida und AfD. Sie attackieren erneut die Flüchtlingspolitik.

Bedrohter Journalist über Rechte: „Ich bin kein Einzelfall“

Der Dortmunder Journalist Peter Bandermann wird von Rechtsextremen bedroht. Er sagt, man könne nicht so tun, als gäbe es kein Naziproblem in der Stadt.