taz.de -- Israelisch-palästinensischer Konflikt: Schwangere und Kind getötet

Im Zuge der jüngsten Gewaltwelle setzen Palästinenser Messer und kaum Schusswaffen ein, obwohl es viele gibt. Die Attentäter sind oft Amateure.
Bild: Hier stand das Haus, in dem eine schwangere Palästinenserin und ihre Tochter getötet wurden.

Jerusalem taz | Eine im fünften Monat schwangere Frau und ein zweijähriges Mädchen sind bei einem Luftangriff auf den Gazastreifen getötet worden. Die israelischen Soldaten zielten dabei nach offizieller Version am Sonntag früh auf eine Waffenproduktionsstätte der Hamas. Mutter und Tochter starben, als ihr Wohnhaus einstürzte.

Der Angriff folgte auf schwere Auseinandersetzungen im Grenzgebiet zwischen Gaza und Israel. Neun Palästinenser wurden am Wochenende erschossen, nachdem es Demonstranten gelungen war, die Grenzanlagen zu durchbrechen.

Im Westjordanland zog sich ein israelischer Polizist leichte Verletzungen zu, als eine 31-jährige Palästinenserin an einem Kontrollpunkt nahe Jerusalem ihr Auto unter „Allah ist groß“-Rufen mit einem Gascontainer in Brand setzte.

Es war der bislang erste Brandanschlag während der aktuellen Eskalationen. Die palästinensische Nachrichtenagentur Maan zitierte einen Augenzeugen, der die Version eines Attentates abstritt. Stattdessen sei das Feuer in dem Fahrzeug durch ein elektrisches Problem ausgelöst worden.

Die meist sehr jungen Attentäter, die fast alle auf eigene Initiative agieren, greifen in der aktuellen Gewaltwelle ihre Opfer fast immer mit Messern an. In den meisten Fällen kommt es dabei zu leichten Verletzungen, ehe die Angreifer selbst „neutralisiert“ werden, so der Terminus der israelischen Sicherheitskräfte, der oft den Tod des Angreifers bedeutet.

„Zentrale Plattform dessen, was passiert, sind die sozialen Netzwerke“, erklärte Harel Chorev, Nahost-Experte am Mosche-Dayan-Zentrum der Tel Aviver Universität, gestern auf telefonische Anfrage. Vor allem die Hamas, die „im Westjordanland wegen der Kontrolle durch den palästinensischen Sicherheitsapparat und das israelische Militär große organisatorische Probleme hat“, greife auf die Massenkommunikation per Internet zurück. Facebook, Twitter, aber auch Smartphone-Applikationen dienten den Islamisten „sowohl zur Propaganda als auch bei der Organisation der Proteste“.

Das Feuer ersticken

Nach Informationen der liberalen Tageszeitung Ha’aretz gehen die israelischen Nachrichtendienste davon aus, dass die palästinensische Führung derzeit alles daransetzt, um „das Feuer zu ersticken“. Die palästinensische Polizei habe zugesagt, „Unruhen an Reibungspunkten“ zwischen Soldaten und Demonstranten zu unterbinden, zitiert die Zeitung Armeeangehörige.

In nahezu jedem zweiten Haushalt im Westjordanland gibt es eine Pistole, trotzdem ist im Verlauf der akuten Krise erst einmal geschossen worden. Die Lektion der zweiten Intifada, die „für die Palästinenser mit einem kompletten Chaos endete“, sei, meint der Nahost-Experte Chorev, Grund dafür, dass die Kampfmethode vorläufig noch relativ harmlos bleibt. Hinter den Attentaten stecken bis heute fast ausschließlich Amateure.

Für die palästinensische Führung sei es nicht nur von nationalem Interesse, weitere Eskalationen auszuschließen, sondern auch „mit Blick auf den innenpolitischen Konflikt“. Für Palästinenserpräsident Abbas und seine Sicherheitskräfte „geht es jetzt darum, die Demonstranten aufzuhalten, ohne sich den Zorn der Leute zuzuziehen“.

11 Oct 2015

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Susanne Knaul

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