taz.de -- Neuwahl in Griechenland: Tsipras setzt alles auf eine Karte
Bei der Wahl will Tsipras sich das Mandat zur Alleinregierung holen. Bis dahin regiert die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs.
Athen taz | Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs ist am Donnerstag vom Präsidenten zur Übergangsregierungschefin nominiert worden. Vassiliki Thanou werde im Laufe des Tages ihren Amtseid ablegen und solle die voraussichtlich im September anstehenden Neuwahlen vorbereiten, teilte das Präsidialamt in Athen mit. Ministerpräsident Alexis Tsipras war vergangene Woche zurückgetreten, nachdem er seine Mehrheit im Parlament im Streit über den Kurs bei den Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern verloren hatte.
Staatsmännisch gab Tsipras sich in dieser Woche dennoch. In einem Fernsehinterview sprach er über dieses und jenes und plötzlich, in einer Nebenbeibemerkung, ließ er die Katze aus dem Sack: Für eine Koalitionsregierung mit den Konservativen, den Sozialisten oder der sozial-liberalen Splitterpartei To Potami stehe er nicht zur Verfügung.
Mit anderen Worten: Entweder kann Tsipras nach der Wahl im Alleingang regieren, oder er wirft das Handtuch. „Ministerpräsident oder nichts“, titelt dazu die auflagenstärkste Athener Zeitung Ta Nea.
Es wird ein hoher Einsatz für den Linkspremier, wenn man bedenkt, dass die „Volkseinheit“, eine von Syriza abgespaltene radikale Linkspartei um Exminister Panagiotis Lafazanis, immer stärker wird: Über 50 führende Persönlichkeiten der Linken, unter ihnen der Komponist Mikis Theodorakis sowie Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, haben ihre Unterstützung für die neu gegründete Partei signalisiert.
Für die Linke zählt jeder Tag
Nach einer Umfrage des TV-Senders Vergina in Thessaloniki bleibt Syriza stärkste Kraft mit 24 Prozent, allerdings nur knapp von der konservativen Nea Dimokratia, die auf 22 Prozent kommt. Die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte behauptet sich als drittstärkste Kraft mit 6 Prozent, während die mitregierenden Rechtspopulisten um ihren Einzug ins Parlament bangen müssen. Lafazanis kommt bereits auf 4,5 Prozent.
Je länger es dauert mit Neuwahlen, desto stärker wird seine Anti-Austeritäts-Bewegung, jeder Tag zählt für ihn. Deshalb will der 65-jährige den Urnengang verzögern und wenn möglich auf Oktober verschieben. Im Gespräch mit dem Präsidenten Prokopis Pavlopoulos am Donnerstag pochte Lafazanis auf ein Treffen aller Parteivorsitzenden beim Staatsoberhaupt.
Dieses sei verfassungsrechtlich vorgeschrieben, bevor die Sondierungsgespräche um die Bildung einer neuen Regierung für gescheitert erklärt und Neuwahlen ankündigt würden. Als Pavlopoulos ihn mit dem Hinweis zu beruhigen versucht, er würde das schon telefonisch besprechen mit den Parteichefs, wagt Lafazanis eine bis dato unerhörten Verbalangriff vor laufenden Kameras: In der Verfassung sei nicht von „Telefongesprächen“ die Rede; die gröbsten Verletzungen der Demokratie erfolgten im Namen der Verfassung. Den Präsidenten scheint das nicht beeindruckt zu haben.
27 Aug 2015
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