taz.de -- Flüchtlinge am Eurotunnel: Kein Weg unter dem Kanal
Die französische Polizei hindert erneut Hunderte am Betreten des Tunnels. In Großbritannien tritt das Sicherheitskabinett wegen der Lage in Calais zusammen.
London dpa | In den vergangenen Tagen haben hunderte Flüchtlinge versucht, vom französischen Calis aus durch den Eurotunnel zu gelangen. Nach Schätzungen warten in Calais zwischen 3.000 und 5.000 Migranten auf eine Gelegenheit, nach Großbritannien zu kommen. Sie erhoffen sich dort bessere Asylchancen und Lebensbedingungen als in Frankreich.
Wie die französische Nachrichtenagentur afp meldete, stoppten Sicherheitskräfte in der Nacht erneut rund 200 Menschen, die versuchten, auf das Eurotunnel-Gelände vorzudringen. Am frühen Morgen gegen 01.00 Uhr patrouillierten demnach rund um den Bahnhof noch immer zahlreiche Polizeifahrzeuge.
Seit Anfang Juni waren auf der Fluchtroute durch den Eurotunnel mindestens zehn Menschen umgekommen und viele weitere verletzt worden. Rund 150 Migranten sollen es Berichten zufolge über die Grenze geschafft haben; offizielle Angaben dazu gibt es nicht. In diesem Jahr hat Eurotunnel auf der französischen Seite bereits mehr als 37.000 Versuche gezählt, die Grenze illegal zu überqueren.
Der britische Premierminister David Cameron hat angesichts der Lage am Ärmelkanaltunnel das Nationale Sicherheitskabinett (Cobra) einberufen. Das Gremium solle am Freitagmorgen unter Camerons Leitung zusammentreffen, teilte das Büro des Premierministers in der Nacht bei Twitter mit. Es solle sichergestellt werden, dass die Regierung unternehme, was sie kann, um der Situation in Calais zu begegnen.
Cameron hatte eine striktere Einwanderungspolitik angekündigt. Dem Sicherheitskabinett, das in nationalen Notlagen zusammenkommt, gehören Regierungsmitglieder, aber je nach Lage auch weitere Funktionsträger, etwa Militärs oder Geheimdienstmitarbeiter, an.
31 Jul 2015
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Seit Kurzem gibt es im Flüchtlingslager bei Calais ein Symbol der Hoffnung. Ein Bewohner hat aus Zeltplanen eine kleine Schule errichtet.
Die EU-Millionenhilfen machen es nicht besser: Die Eskalation der Abschreckung am Ärmelkanal wird das Elend der Flüchtlinge verschlimmern.
Großbritannien und Frankreich erhalten von der EU 266 Millionen Euro bis zum Jahr 2020, um die Lage am Ärmelkanal unter Kontrolle zu bringen.
Die EU-Kommission gibt Frankreich und Großbritannien finanzielle Unterstützung und Verfahrenshilfe durch Frontex: insgesamt fast 50 Millionen Euro.
Britischen Vermietern sollen Strafen drohen, wenn sie illegal eingereisten Menschen Wohnungen vermieten. Die Regierung setzt auf Abschreckung.
Großbritanniens Premier Cameron macht Stimmung gegen Flüchtlinge. Nun will seine Regierung sogar die Armee am Eurotunnel einsetzen.
In Europa wird viel von Menschenwürde gesprochen und Asyl nur unter Lebensgefahr gewährt. Für diese Politik ist Calais das traurige Symbol.
Der Ansturm auf den Eurotunnel von Calais nach Dover fordert immer wieder Todesopfer. Zumeist bleiben sie namenlos. Kein Ende des Elends in Sicht.
In Calais und im Norden von Paris lösten die Behörden Camps auf. Sie wollen wilde Ansammlungen von Migranten auf Dauer unterbinden.
Ein Video, das Polizeigewalt gegen Flüchtlinge in Calais zeigt, ist aufgetaucht. Hilfsorganisationen sind schockiert, die Polizeigewerkschaft verteidigt die Beamten.