taz.de -- Kommentar Griechenlandpolitik: Merkel, die klügere Nationalistin
Die Zukunft Bosbachs kann der Kanzlerin egal sein. Doch sie wird nicht umhinkommen, die Euro-Skeptiker dort zu attackieren, wo sie verwundbar sind.
Wolfgang Bosbach hat es mal wieder geschafft: Der CDU-Abgeordnete und Euro-Rebell ist in den Medien, seinem Lieblingsplatz. Er nutzte das Sommerloch, um eine nicht sonderlich dringende Ankündigung zu lancieren. [1][Im September gibt er seinen Vorsitz im Innenausschuss auf]. Aber sein Mandat im Bundestag behält er.
Damit bleibt Bosbach hinter den eigenen Andeutungen zurück. Immer wieder hatte er insinuiert, dass er das Parlament verlässt, falls es zu einem weiteren Kreditpaket für Griechenland kommt. Jetzt ist es nur ein halber Rücktritt, und damit bleibt Bosbach sich treu: als Deutschlands oberster Wichtigtuer.
Kanzlerin Merkel kann es egal sein, dass Bosbach weiter im Bundestag sitzen und als Euro-Skeptiker nerven wird. Hätte er das Parlament verlassen, hätte sich sofort ein anderer Unions-Politiker gefunden, um den deutschen Nationalismus zu bedienen.
Die Causa Bosbach zeigt aber, dass Merkel vor einer grundsätzlichen Entscheidung steht, wie sie mit der Eurokrise weiter umgeht. Bisher hat sie stets nur das Nötigste getan, um die Währungsunion zu retten, und ansonsten gehofft, dass das Problem irgendwie von selbst verschwindet.
Grexit ist die teuerste Lösung
Diese Strategie war immer falsch und kommt jetzt sichtbar an ihr Ende, wie die populistische Widerstandsinszenierung von Bosbach zeigt. Die Kanzlerin wird nicht umhinkommen, Bosbach & Co. dort zu attackieren, wo sie verwundbar sind: bei ihrem eigenen Nationalismus.
Bosbach und andere Euro-Skeptiker suggerieren, dass es im Interesse Deutschlands sei, Griechenland fallen zu lassen. Dies ist objektiv falsch. Der Grexit wäre die teuerste Lösung, und zwar nicht unbedingt für die Griechen, sondern für die Deutschen. Die ökonomischen Kettenreaktionen wären nicht mehr zu kontrollieren, und der Euro würde von innen gesprengt. Deutschland rettet die Griechen, um sich selbst zu retten. Mit seinen Politikvorschlägen würde Bosbach immensen Schaden anrichten.
Es ist keine Nostalgie oder Griechenfreundschaft, die Merkel leitet. Sie ist die klügere Nationalistin. Sie weiß, dass die CDU es nicht überleben würde, wenn sie die Megakrise auslöst, die ein Eurocrash bedeutet. Aber diese Gefahren muss sie ihrer Fraktion erläutern. Von allein merken es Bosbach & Co. nämlich nicht.
24 Jul 2015
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Viele Deutsche halten es für völlig normal, dass die griechische Wirtschaft zerstört wird. Sie glauben an eine Art schwarze Pädagogik.
Zwei Männer im Proszenium, Donnergrummeln, ein Streit: So entfaltet sich das Drama zwischen Schäuble und Tsipras – und ihr Dialog.
Tsipras hat aufbegehrt und wurde in die Rolle des unartigen Sohns gedrückt. Wer in einem Konflikt den Gegner abwertet, straft leichter.
Athen beantragt noch einen Kredit. Der IWF ist bei den Verhandlungen, die am Montag starten sollen, dabei. Für Diskussionen sorgen angebliche „Massenentlassungen“.
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach will die Entscheidung des Bundestags für weitere Griechenland-Verhandlungen nicht mittragen. Er bleibt aber Abgeordneter.
Die griechischen Abgeordneten haben die Auflagen für ein weiteres Hilfspaket gebilligt. Tsipras spricht von einem „schmerzhaften Weg“ für das Land.
Die EU muss Flüchtlinge langfristig gerechter verteilen. Wenn sie es nicht schafft, wird eine schwere politische Krise folgen.
Der Finanzminister treibt die Kosten für die Eurorettung permanent in die Höhe. Sein Rücktritt, mit dem er jüngst drohte, ist tatsächlich eine gute Idee.
Solange nicht klar ist, wie es mit Griechenland weitergeht, wird dort niemand investieren. Troika und Athen haben sich auf ein gewagtes Spiel eingelassen.