taz.de -- Kommentar Griechenland-Hilfe: Das Drama geht jetzt erst richtig los

Anders als die Politiker nach dem letzten Euro-Gipfel suggerieren, ist kurzfristig nichts gelöst. Die Krise könnte sogar erneut eskalieren.
Bild: Zukunft offen: Ein Mann in Athen.

Wenigstens ist jetzt der Grexit vom Tisch. Das dachten viele, als der griechische Premier Alexis Tsipras am Montag die weiße Fahne hisste und [1][den harten deutschen Deal akzeptierte]. Zwar würde Tsipras [2][am Mittwochabend] noch ein paar verhasste Reformen durch das Parlament peitschen müssen, doch danach würde das Schuldendrama endlich beendet sein.

Die Wahrheit sieht anders aus: Das Drama fängt jetzt erst richtig an. Denn dieselben Politiker, die Tsipras beim Euro-Gipfel zur Kapitulation gezwungen haben, weigern sich jetzt, schnell Geld zur Rettung der griechischen Banken und zur Auslösung fälliger Schulden bereitzustellen. Darum müsse sich Athen selbst kümmern, so die verächtliche Antwort von Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Kurzfristig ist also gar nichts gelöst. Die Krise könnte sogar bis Montag erneut eskalieren. Dann muss Griechenland 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank zurückzahlen. Wenn es das nicht kann, droht schon wieder der Grexit. Schäuble macht keinen Hehl daraus, dass er dies immer noch für die beste Lösung hält. Offenbar arbeitet er auch gezielt darauf hin.

Aber auch langfristig sieht es nicht gut aus für Hellas. Denn mit dem deutschen Deal passiert genau das, was die Regierung in Athen unbedingt vermeiden wollte: Ihr werden neue Schulden aufgebürdet. Die frischen Kredite dienen zwar vor allem dazu, alte Schulden abzulösen; im Land selbst kommt wenig an. Doch sie machen die Schuldenlast, die schon jetzt erdrückend ist, endgültig untragbar.

Das sagt nicht etwa Exfinanzminister Jannis Varoufakis, das sagt der Internationale Währungsfonds (IWF). Also genau jene Institution, die Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel um jeden Preis im neuen Programm dabei haben möchten. Die Schuldenquote werde bald auf unglaubliche 200 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen, warnen die IWF-Experten.

Die versprochene „Rettung“ entpuppt sich so als neue Bürde. Der deutsche Deal trägt nicht zur Entschuldung, sondern zur weiteren Verschuldung bei. Gleichzeitig sträubt sich Berlin gegen die Forderung des IWF, nun endlich einen harten Schuldenschnitt zu wagen. Merkel und Schäuble tun alles, um Tsipras zu belasten – und nichts, um ihn zu entlasten. Kann man solchen Politikern noch vertrauen?

15 Jul 2015

LINKS

[1] /Bruesseler-Gipfel-zur-Griechenlandkrise/!5212865/
[2] /Schuldenstreit-mit-Griechenland/!5213540/

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Alexis Tsipras
Grexit
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Finanzkrise
staatenlos
Griechenland
Flüchtlinge
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland-Hilfe
Griechenland
Griechenland
Griechenland
Griechenland
Forsa
Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland

ARTIKEL ZUM THEMA

Neues Spiel „Athletics 2: Summer Sports“: Pavlos Tsakos rettet Griechenland

Nun will die EU Griechenland „wettbewerbsfähig machen“. Das Sportspiel „Athletics 2“ eignet sich, um die Fitness der Griechen zu testen.

Kommentar verwässertes Reformpaket: So droht der Grexit

Das Spardiktat ist in Griechenland nicht zu vermitteln. Die Eurozone muss dem Land entgegenkommen – sonst droht der Grexit.

Aus „Le Monde diplomatique“: Rettung für verlorene Bürger

In New York bietet eine ID-Card Papierlosen Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Jobs. Das könnte ein Vorbild für die Weltgemeinschaft sein.

Debatte Freitagscasino: Kommt der Fixit vor dem Grexit?

Alle warten auf den Euroausstieg der Griechen, aber Finnland könnte schneller sein. Das Land könnte sich eine eigene Währung gefahrlos leisten.

Debatte Drohnen und Flüchtlingspolitik: Tödliche Luftnummern

Drohnen sollen helfen, Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer zu verhindern. Diese Aufrüstungslogik muss durchbrochen werden.

Syriza nach Abstimmung über Sparpaket: Die Meuterei

Ernüchterung in Athen. Premier Alexis Tsipras muss Sparauflagen durchsetzen, die er ablehnt. Schon ist die Rede von Neuwahlen im Herbst.

Ein Vorschlag für Griechenland: Schreckgespenst Solidarität

Der Ökonom Clemens Fuest vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung schlägt einen Griechen-Soli vor. Protest mit eingerechnet.

Neues Hilfsprogramm für Griechenland: Die Finanzminister sind zufrieden

Griechenland soll drei weitere Jahre unterstützt werden. Bis nächste Woche soll Athen weitere Reformen beschließen. Die EZB hebt derweil die Notkredite an.

Proteste gegen Sparpaket: Brandbomben in Athen

12.500 Griechen protestieren weitgehend friedlich gegen die Reformpläne der Regierung. Eine Gruppe wirft Steine und Moltowcocktails. Die Polizei setzt Tränengas ein.

Griechisches Parlament stimmt ab: Ja zum Sparpaket

Die Abgeordneten haben mit klarer Mehrheit für eine höhere Mehrwertsteuer und eine Rentenreform gestimmt. Doch die Regierungspartei Syriza ist gespalten.

Importe aus Griechenland: Waren kommen gut an

Griechenland liefert vor allem landwirtschaftliche Produkte nach Deutschland. Die Nachfrage steigt hierzulande.

Forsa-Umfrage: Grüne Schweißausbrüche

Der „Stern“ veröffentlicht eine Forsa-Umfrage, nach der 75 Prozent der Grünen-Wähler Merkels Griechenkurs gut finden. Klingt seltsam? Ist es auch.

Schuldenstreit mit Griechenland: Jetzt muss das Parlament entscheiden

Die Abgeordneten in Athen sollen nun über Reformen abstimmen. Vize-Finanzministerin Valavani trat im Vorfeld zurück. Mehrere Proteste sind angekündigt.

Schäubles Rolle in Brüssel: Merkels Buhmann

Kanzlerin Angela Merkel tritt im Griechenlandkonflikt eher verbindlich auf. Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble gibt den Bösen.