taz.de -- Neue Wikileaks-Dokumente zur NSA: Kanzleramt über Jahre ausspioniert

Der US-Geheimdienst bespitzelt das Kanzleramt offenbar schon seit Jahrzehnten. Neue Dokumente zeigen: Schon Mitarbeiter von Schröder und Kohl waren Ziele.
Bild: Schon seit Jahrzehnten von der NSA durchleuchtet: das Bundeskanzleramt.

Berlin rtr | Der US-Geheimdienst NSA hat neuen Veröffentlichungen der Enthüllungsplattform WikiLeaks zufolge weitaus länger und intensiver deutsche Spitzenpolitiker und Regierungsstellen ausspioniert als bislang bekannt. So sei das Bundeskanzleramt über Jahrzehnte abgehört worden, berichtete WikiLeaks am Mittwochabend auf seiner Internetseite. Betroffen seien neben Bundeskanzlerin Angela Merkel offenbar auch bereits die Vorgängerregierungen unter den Kanzlern Helmut Kohl und Gerhard Schröder. Bei der Bundesregierung war zunächst keine Stellungnahme erhältlich.

Die Plattform veröffentlichte weitere 56 so genannte Selektoren, also Telefon- und Faxnummern aus dem Kanzleramt, die zur Überwachung dienten. Zusammen mit den in der vergangenen Woche veröffentlichten Nummern umfasst die Liste demnach 125 überwachte Anschlüsse.

Die Liste umfasst WikiLeaks zufolge Telefonnummern von Merkel und engsten Mitarbeitern, darunter ihrer Büroleiterin und Vertrauten Beate Baumann, Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche. Auch die Nummern von Unionsfraktionschef Volker Kauder und des früheren Kanzleramtsministers Ronald Pofalla stehen darauf.

Schon in der vergangenen Woche hatte WikiLeaks Unterlagen mit Deutschland-Bezug veröffentlicht, darunter 69 Selektoren. Unter anderem soll laut diesen Enthüllungen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und das Ministerium Ziel von Ausspähung gewesen sein. Die Bundesregierung hatte daraufhin US-Botschafter John B. Emerson ins Kanzleramt einbestellt.

9 Jul 2015

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