taz.de -- Die Bremer AfD zerlegt sich selbst: Freie Radikale

Nach der Wahl Frauke Petrys zur AfD-Bundesvorsitzenden verlassen drei der vier AfD-Bürgerschaftsabgeordneten die Partei.
Bild: Wollen mit Lucke (l.) gehen: Noch-AfD-Landeschef Christian Schäfer und Noch-AfD-Sprecherin Antonia Hanne

BREMEN taz | Gerade erst hat sich die neue Bürgerschaft konstituiert, schon wird wieder alles anders. Denn drei der vier Abgeordneten der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) wollen aus der Partei austreten, übrig bleibt nur noch Alexander Tassis.

Die anderen drei Abgeordneten, AfD-Landeschef Christian Schäfer, Piet Leidreiter und Klaus Remkes, haben ihrer Partei nach der Wahl Frauke Petrys zur Bundesvorsitzenden genauso den Rücken gekehrt wie drei Beiratsmitglieder und AfD-Sprecherin Antonia Hanne.

Die sagt freilich, mit Frauke Petry habe der Austritt nur indirekt zu tun: „Wir alle haben ein sehr gutes Verhältnis zu Frau Petry. Sie wird aber jetzt zu einer Getriebenen: Die Geister, die sie rief, wird sie nicht mehr los.“ Einer davon ist der nordrhein-westfälische AfD-Sprecher Marcus Pretzell: „Als der sagte, die AfD sei eine Pegida-Partei, war für uns Schluss“, sagt Hanne.

„Das war furchtbar“

Stets habe die Bremer AfD betont, dass sie nichts mit Pegida zu tun haben wolle „und dass man bei muslimischen Mitbürgern immer differenzieren muss. Da gibt es sehr viele ehrbare und gut integrierte Menschen“, so Hanne. „Als Bernd Lucke genau das auf dem Bundesparteitag gesagt hat, wurde er ausgebuht, das war furchtbar.“

Angesichts der Worte Hannes scheint das Parteiprogramm der Bremer AfD vom einzig verbliebenen Abgeordneten und erklärten Petry-Anhänger Alexander Tassis verfasst worden zu sein, denn das beschäftigt sich folgendermaßen mit Muslimen: Eine „Zurückdrängung des Einflusses ausländischer islamischer Organisationen“ fordert die AfD da und meint damit auch Ditib, den Landesverband der Islamischen Religionsgemeinschaften Niedersachsen und Bremen.

Mit dem hat der Senat einen Staatsvertrag geschlossen, der die Freiheit der Religionsausübung für Muslime festschreibt. „Wir sind gegen jeden Staatsvertrag mit islamischen Organisationen“, heißt es im AfD-Programm – und dort steht auch, dass Homophobie Resultat „der fortschreitenden Verbreitung islamistischen Gedankengutes“ in Deutschland sei.

Kein Rechtsruck

Zum Verbleib von Tassis in der AfD sagt Hanne: „Es ist sein Gehirn, seine Seele, seine Partei.“ Tassis bestätigt das: „Das ist genau die AfD, in die ich eingetreten bin“, sagt er. Einen Rechtsruck in der AfD könne er nach der Wahl Petrys nicht erkennen.

Seine drei ehemaligen Mitstreiter seien „parteiunerfahrene Menschen, die meinen, gleich austreten zu müssen, weil es neue Parteiführung gibt“. Das sei einerseits schade, „andererseits bin ich immer schon gerne Einzelkämpfer gewesen.

Außerdem bekomme ich große Unterstützung der AfD-Landesverbände Thüringen und Brandenburg – ich fühle mich also nicht alleingelassen.“ Wie sich das Miteinander von AfD und Ex-AfD im bremischen Parlament zukünftig gestalten wird, „das weiß ich auch noch nicht – aber ich bin sehr gespannt.“

Parlamentarische Gruppe

Wie es indes mit den drei nun fraktions- beziehungsweise gruppenlosen Einzelabgeordneten weitergehen soll, weiß Hanne noch nicht: „Am kommenden Wochenende werden wir hoffentlich wissen, ob Bernd Lucke eine neue Partei gründen wird oder nicht. Wenn ja, schließen wir uns ihr auf jeden Fall an.“ Klar sei jedenfalls, dass Schäfer, Leidreiter und Remke keine Einzelabgeordneten bleiben, sondern eine parlamentarische Gruppe bilden wollen.

Und klar ist auch, dass sich damit das Vorhaben der AfD zerschlagen hat, per Neuauszählung ihrer Wahlstimmen einen Fraktionsstatus in der Bürgerschaft zu erhalten, denn selbst wenn sie in Bremerhaven die Fünf-Prozent-Hürde geschafft hätte, bekäme sie nur ein Mandat mehr – und erst ab fünf Sitzen erhält eine Parei den Status einer Fraktion. Davon ist die AfD nun Lichtjahre entfernt.

8 Jul 2015

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Simone Schnase

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